Rede von Kathrin Meß

Zur Einbringung des Programmbereichs: Armut

„Wie eine Gesellschaft ihre Armen sieht und behandelt, ist der Prüfstein dafür, ob sie als human, sozial und demokratisch gelten kann.“ (Andreas Butterwegge)

Liebe Genossinnen und Genossen,

herzlich willkommen in Trier, der Stadt der Superlative:

Trier ist nicht nur ganz besonders alt und ganz besonders schön –Trier ist auch besonders hoch verschuldet – im Städte-Ranking der ärmsten Städte Deutschlands ist Trier immer mit dabei auf den vorderen Plätzen – neben Pirmasens, Kaiserslautern, Ludwigshafen, Zweibrücken und Mainz.

Doch das ist nicht der einzige Superlativ. Neben der hohen Verschuldung hat Trier auch mit die höchsten Mieten in Deutschland und den teuersten öffentlichen Nahverkehr.  

Für seinen diesjährigen Armutsbericht ist der Leiter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, heftig angegriffen worden. Er hatte es gewagt,  der Politik und Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und die „Uns-geht-es-doch-allen-gut- Mentalität“ zu stören. Sein Bericht ist eine deutliche Anklage an eine verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in den letzten 2 Jahren nochmal zu einer drastischen Verarmung diverser Bevölkerungsgruppen geführt hat.

U.a. schrieb der Fokus, es gebe keine Armut in Deutschland, sondern eine „Einkommensungleichheit innerhalb der Gesellschaft“, von „Sozialneid“ war die Rede und davon, dass die Besserverdienenden doch schon einen erheblichen Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesen tragen würden und nicht weiter belastet werden dürften. Auch die Begriffsspielerei Menschen wären von „Armut bedroht“ statt ganz konkret zu sagen , dass sie arm sind, sollte einer Öffentlichkeit suggerieren, dass es nicht so schlimm ist... Denn was heisst schon von Armut „bedroht“? Das hört sich weniger bedrohlich an, denn wer von Armut bedroht ist, ist längst noch nicht arm.

Realitäten wie Armut in Deutschland werden stets umdefiniert, verschleiert und verharmlost.

War es vor 20 Jahren noch eher eine Seltenheit, wenn Menschen die Abfallbehälter nach Essbarem und Pfandflaschen durchsuchen, ist es heute eine Alltäglichkeit in allen Städten Deutschlands. Die Gesellschaft hat sich an den Anblick gewöhnt. Das sind eben die, die nicht dazu gehören, die Ausgeschlossenen. - Selber schuld  - denken vielleicht viele junge Menschen, die sich im Konsum gut eingerichtet haben.

Aber es werden immer mehr und oft sieht man Menschen im Müll suchen, von denen man das früher nie vermutet hatte. Äußerlich sieht man es ihnen oft noch nicht an – sie schaffen es noch, eine bürgerliche Fassade aufrecht zu halten. Dennoch Armut fängt nicht dort erst an, wo Menschen unter der Brücke schlafen oder Flaschen sammeln müssen, wie uns die Medien oft vermitteln wollen, sondern ist oft versteckte Armut.

Besonders oft betroffen sind Alleinerziehende, deren Kinder ausgeschlossen sind aus dem sozialen Umfeld. Viele können nicht zum Kindergeburtstag gehen, weil sie kein Geld für Geschenke haben. Viele Kinder haben keine richtige Winterkleidung oder können nicht auf Klassenfahrt gehen. Und es gibt viele Kinder in einkommensschwachen Familien, die noch nie das Meer gesehen haben, weil die Eltern sich keinen Urlaub leisten können. Gerade die sind dann in den Sommerferien auf Schwimmbäder und andere Freizeiteinrichtungen angewiesen, in denen der Eintritt bezahlbar ist.  Aber gerade unsere verschuldeten Kommunen schließen ihre Schwimmbäder oder lassen ihre Sporteinrichtungen verfallen – wie hier in Trier – oder erhöhen die Eintrittspreise für ihre Schwimmbäder.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 festgestellt, dass die Hartz-IV Regelsätze für Kinder verfassungswidrig und viel zu niedrig sind. Was ist geschehen? Nichts... Jedes  5 Kind in Rheinland-Pfalz lebt in Armut.

Daher fordern wir LINKE eine eigenständige Kindergrundsicherung und die Erhöhung des Kindergeldes auf 200 Euro. Die Grundsicherung muss sich am tatsächlichen, verfassungsrechtlichen Existenzminimum der Kinder orientieren. Und dieses liegt derzeit bei 536 Euro. Hartz-IV gehört prinzipiell abgeschafft und muss durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt werden - das wird immer eine zentrale Forderung der LINKEN sein – aber kurzfristig muss der Regelsatz auf mindestens 500 Euro pro Monat erhöht werden.  

Armut bedeutet Mangel, nicht nur an Geld, sondern auch an guter Bildung, der Möglichkeit ein Studium zu absolvieren, guter gesundheitlicher Versorgung  und auch Mangel an sozialen Kontakten. Denn wer kein Geld hat, kann nicht einfach mal so mit Freunden ins Cafe gehen und Leute treffen.

Die Armutsspirale dreht sich für viele Menschen weiter: Arbeitnehmerinnen, die heute schlecht bezahlt sind, haben im Alter keine auskömmliche Rente. Das reicht oft nicht oder nur gerade so für die Miete. Sie können davon keine frischen Lebensmittel kaufen und die Zuzahlung zu den Medikamenten nicht bezahlen – wenn eine schwere Erkrankung wie Krebs dazu kommt, wird es oft richtig dramatisch – dann verarmen oft auch noch die pflegenden Angehörigen. Alle Maßnahmen der Regierungen, ob das der Riesterbetrug, Absenkung des Rentenniveaus auf ca. 50 % oder ob das die eigentlich rechtlich unmögliche Doppelbesteuerung der Renten war – alles diente nur dazu den Geldbeutel der Menschen zu schröpfen bzw. öffentliche Gelder in private Unternehmen zu überführen wie beim Riesterbetrug.

Die LINKE fordert eine solidarisch finanzierte, bedarfsorientierte Mindestrente und die Abschaffung der Rente mit 67. Das konnten sich auch nur Leute ausdenken, die noch nie körperlich schwer gearbeitet haben.

Menschen mit Behinderungen werden oft ausgebeutet und um ihren Lohn betrogen in eigens für sie eingerichteten Werkstätten und verdienen oft nur etwas mehr als 100 Euro für einen 8 Stunden Tag, während die Werkstätten oft eine gute finanzielle Ausstattung erhalten. Hier muss auch der Mindestlohn gezahlt werden und alle Arbeitsrechte eingehalten werden.

Auch in Rheinland Pfalz  hat die Armut in den letzten 2 Jahren zugenommen. Gerade die rheinland-pfälzische Regierung brüstet sich gerne mit den niedrigen Arbeitslosenzahlen. Aber die Armutsentwicklung in Rheinland Pfalz ist, wie im gesamten Deutschland, von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Während die Zahl der Arbeitslosen sinkt, wird die Armut größer, weil zahlreiche Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Über 8 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor – in ganz Deutschland. Viele davon auch in Rheinland-Pfalz. Neu Eingestellte bei der Post haben hier in Rheinland-Pfalz nur etwa 1000 Euro Netto im Monat, erzählte mir vor kurzem ein Mitarbeiter der Post.

Armut und soziale Ausgrenzung in Deutschland ist kein wirtschaftliches Problem, sondern ein Problem anhaltender falscher politischer Entscheidungen. Denn Geld ist genug da und Arbeit auch – es ist nur ein Verteilungsproblem und das muss politisch gelöst werden durch eine bessere Arbeitsmarktpolitik.

 

Vieles muss besser durchdacht und anders entschieden werden für die Menschen hier in Rheinland Pfalz.  - Da können wir auf Landesebene viel erreichen und was wir auf Landesebene nicht entscheiden können, müssen wir wenigstens immer wieder anprangern und verurteilen.

 

Aber was wir schaffen können, weil es in der Verantwortung des Landes steht, ist die Schaffung einer sozialen kommunalen Wohnungswirtschaft, die ihren Namen auch verdient hat, weil sie gemeinwohlorientiert, ökologisch, ressourcenschonend und behindertenfreundlich geplant werden muss.

Kommunen müssen Höchstmieten festlegen können, Heizkosten muss wieder im Wohngeld enthalten sein, energetische Sanierung muss sozial verträglich gestaltet werden. Außerdem wollen wir Spekulationen mit Wohnraum beenden und die massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stoppen. Denn es gibt viele Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Auch das sind wirksame Maßnahmen gegen Armut.

 

Viel zu lange hat sich eine Armutsverwaltung etabliert in Form von Suppenküchen, Tafeln und Kleiderkammern. Die Menschen, die dort hingehen schämen sich oft und halten sich auch noch selbst für schuldig an ihrem Schicksal –  So weit sind die neoliberalen Ideen in den Köpfen der Menschen schon verankert.  Keine Gesellschaft der Welt darf Menschen so erniedrigen...

 

Wir brauchen nicht mehr Wohltätigkeit und herablassende Spendentätigkeiten. Gute  Wirtschafts- und Sozialpolitik darf nicht durch durch eine freiwillige, private bzw. kirchliche Wohltätigkeitsindustrie ersetzt werden.

 

Wir brauchen bessere Gesetze und Maßnahmen, damit Menschen garnicht erst in so eine erniedrigende Situation kommen. Die Leute müssen einen gesetzlichen Anspruch auf mehr Geld haben, auf einen ordentlich bezahlten Job. Und wenn sie krank und erwerbsunfähig werden, dann hat eine moderne, zivilisierte Gesellschaft die Pflicht, sie aufzufangen mit einem notfalls einklagbaren Anspruch, der dann auch durchgesetzt werden muss innerhalb einer angemessenenen Zeit und sie nicht als Bittsteller behandelt und sie nicht nach einem oft langen, anstengenden Arbeitsleben in den Hartz-IV Bezug abschiebt, der ihnen zum Teil noch verweigert wird, wenn sie bei Angehörigen wohnen. 

 

Deshalb dürfen wir von der LINKEN nicht locker lassen, wir dürfen uns nicht abfinden mit diesen katastrophalen Zuständen. Der profitorientierte Kapitalismus produziert soziale Ungleichheit, Ausgrenzung und Armut und die aktuelle Politik unterstützt die Ausbeuter noch mit Gesetzen und Deregulierungen bei ihrem Raubzug und ihren kriminellen Machenschaften. Viele Errungenschaften der Arbeiterklasse, die in den letzten 100 Jahren mit hohen Verlusten erkämpft und erstritten wurden, sind in den letzten 20 Jahren entfesselten Finanzkapitalismus boykottiert und zurückgedreht worden. Dagegen müssen wir uns wehren...

 

 „Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade“

(Johann Heinrich Pestalozzi)