Rede von Jörg Lobach

Zur Einbringung des Programmbereichs: Prekäre Beschäftigung und Mindestlohn

Liebe Genossinnen und Genossen,

Wir kommen zum Kern unseres Landtagswahlprogramms. Der Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen ist Anlaß für die Gründung unserer Partei und ihrer Vorgängerorganisationen gewesen. Im ältesten programmatischen Dokument auch unserer Partei heißt es (wir sind hier in Trier, da dürfen wir das zitieren): „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Das stimmt auch für die heutige Zeit. Was bedeutet diese Aussage für unser Wahlprogramm?

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Die gesellschaftliche Verteilung und Entlohnung der Arbeit bestimmt die Lebensqualität entscheidend. Franklin Delano Roosevelt hat in einer Rede an die Nation 1944 gesagt: "Echte individuelle Freiheit kann es nicht ohne wirtschaftliche Sicherheit geben. Bedürftige Menschen sind keine freien Menschen." Zitiert habe ich das nach Senator Bernie Sanders – der wird wissen, wovon er spricht. Es wirkt immer, als ob er sein Programm in weiten Teilen bei uns abgeschrieben habe. So will er Steuern für Reiche und Superreiche erhöhen und dafür sorgen, dass Hedgefonds und andere Finanzfirmen höhere Abgaben zahlen. Zudem will er Steuerschlupflöcher für Reiche schließen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Wir wollen heute ein richtungweisendes Landtagswahlprogramm verabschieden. Wir kämpfen für eine gute, nicht nur existenzsichernde Arbeit. Es ist eine Schande, daß wir das überhaupt tun müssen. Alles Wirtschaften dient den menschlichen Bedürfnissen, so steht es in den Lehrbüchern der politischen Ökonomie. Umgesetzt sehen wir diese Annahme nur höchst unregelmäßig. Alles Wirtschaften dient in der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaftsordnung zuvörderst den Superreichen und der Gewinnmaximierung der Konzerne. In Rheinland-Pfalz – in Zeile 303/304 – des Programmentwurfs haben wir das noch einmal ausdrücklich erwähnt – arbeitet momentan jede vierte Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

 

Liebe Genossinnen und Genossen, 

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse! Wie vornehm sich doch der Begriff „Ausbeutung“ umschreiben lässt. Da gibt es PolitikerInnen, die sind stolz darauf, einen Niedriglohnsektor geschaffen zu haben. Dabei müsste der als eine ganz eigene Spielwiese für „Kapital“verbrechen dringendst wieder abgeschafft werden. Wie kann ein Mensch stolz drauf sein, Armut, Elend und Ausbeutung zu fördern? Im Namen welcher als quasi heilig dargestellter Arbeitsplätze? Neue Arbeitsplätze sind auch in Rheinland-Pfalz fast ausschließlich dadurch entstanden,  dass reguläre Beschäftigungsverhältnisse in Mini- und Midi-Jobs gesplittet wurden. Wo früher eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt war, arbeiten heute mehrere Mini-Jobber oder Teilzeitbeschäftigte. Ihr findet diese Aussage in den Zeilen 311 bis 314 des Programmentwurfs. Aus guter Arbeit zu anständigen oder wenigstens auskömmlichen Löhnen wird so prekäre Beschäftigung. Der Niedriglohnsektor nutz nur den Superreichen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Was kann die Politik in diesem Zusammenhang erreichen? Sie wird die gesellschaftliche Gegenmacht der organisierten ArbeiterInnenklasse, die Gewerkschaften nämlich, nicht ersetzen können. Aber sie kann unterstützen. Der von uns erkämpfte Mindestlohn – auch wenn ihn jetzt andere umgesetzt haben – ist nicht das Mindestmaß an lohnpolitischem Anstand, läge er denn bei zehn EUR oder darüber, er ist auch eine Entlastung für die Gewerkschaften, die wenigstens nicht mehr gegen noch geringere Entlohnungen vorgehen müssen. Er ist so gesehen die Einsicht in die Erkenntnis, daß die Sozialpartnerschaft an dieser Stelle gescheitert ist.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Die Gegenmacht der Gewerkschaften wird maßgeblich durch einen Teil der Sozialgesetzgebung behindert. Es ekelt mich, für diese Mischung aus indirektem Arbeitszwang und direkter Drangsalierung Bedürftiger das Wort „Arbeitslosengeld“ – ALG II – in den Mund zu nehmen. Wer sich nicht gegen Ausbeutung wehren darf, verlernt, zu kämpfen. Es muss endlich Schluss sein damit, dass Erwerbslose durch Sanktionen gegängelt und in schlechte Jobs gedrängt werden! Daher sagen wir: "Mindestsicherung ohne Sanktionen“!

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Kommen wir zur Tariftreue und zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Hier in Trier finden sich Einrichtungen, von denen Viele glauben, sie existierten nicht. So z.B. die Servicestelle beim Landesamt für Soziales Jugend und Versorgung, die seit dem 1. März 2011 eingerichtet ist, die über das Landestariftreuegesetz (LTTG) informiert und die Entgeltregelungen aus den einschlägigen und repräsentativen Tarifverträgen unentgeltlich zur Verfügung stellt. So etwas gibt es.  In der Moltkestraße 19 in 54292 Trier. Immerhin. Das Landestariftreuegesetz enthält derzeit einen Mindestlohn von brutto 8,90 EUR die Stunde. Das sind generöse 40 Cent mehr als der bundeseinheitliche Mindestlohn. Ausreichend und armutsfest ist das immer noch nicht. Das Gesetz greift darüber hinaus erst bei geschätzten Auftragssummen von 20.000,00 EUR oder mehr. Es ist unzureichend.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Wie wollen wir gute Arbeit schaffen? Einer unserer Vorschläge ist der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor (ÖBS). Dort wird Arbeit geschaffen, die keinen Profit abwirft, ohne in Konkurrenz zu bestehenden privatwirtschaftlichen Strukturen zu treten. Gerade heute werden ÜbersetzerInnen, BetreuerInnen und viele mehr benötigt, um den Kriegsflüchtlingen den Einstieg in die bundesdeutsche Gesellschaft zu ermöglichen. Es reicht nicht aus, wenn eine Regierung sich auf bürgerschaftliches, ehrenamtliches Engagement verlässt. Lassen wir es, aus Zeitgründen, bei diesem einen Beispiel.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Ihr seht: Unser Programm enthält einen Klassenstandpunkt, es ist aus einem Klassenstandpunkt heraus verfasst. Auch wenn es diesen Ausdruck nicht in jeder zweiten Zeile enthält. Und es ist ein Programm für die Gegenwart. Um es mit John Maynard Keynes zu sagen: „Langfristig sind wir alle tot“. Damit zurück zu unserem ältesten programmatischen Dokument: „Wir haben nichts zu verlieren als unsere Ketten. Wir haben eine Welt zu gewinnen.“

 

Danke für Eure Aufmerksamkeit!