Rede von Jochen Bülow

Zur Beschlussfassung des Programms am 28/11/2015

Liebe Genossinnen und Genossen,

auf unser soeben beschlossenes Programm können wir stolz sein, weil es den roten Faden enthält, der im Landtag fehlt: Soziale Gerechtigkeit, Bildung unabhängig vom Geldbeutel, die Absage an Krieg als Mittel der Politik. Weil dieses Programm klar macht, dass die Verhältnisse nicht vom Himmel fallen, sondern von Menschen gemacht werden. Und dass man sie deshalb verbessern kann. Und darum nochmal: Darauf können wir alle miteinander stolz sein, liebe Genossinnen und Genossen.

Manche Vorschläge sind übrigens keine Weltneuheit. Manche sind auch gar nicht originär links, sondern einfach nur logisch und vernünftig. Denn wir haben während der Programmdebatte mit vielen Menschen und Organisationen geredet oder uns deren Positionen angeschaut: DGB und katholische Arbeitnehmerbewegung, Landeselternbeirat, Naturschutzbund und GEW, Friedensbewegung und die vielen themenbezogenen Bürgerinitiativen: Sie alle nennen die Defizite und Entwicklungspotenziale in unserem Land seit Jahren beim Namen. Aber auch im nächsten Landeshaushalt findet sich wenig, was auf die Herausforderungen Antworten geben würde. Stattdessen rührt die rot-grüne Landesregierung die Werbetrommel und erklärt Rheinland-Pfalz zum Erfolgsland. Aber in wesentlichen Punkten sind doch die Versprechen des Koalitionsvertrages nicht eingelöst worden: Armut sollte verringert werden. Die Zahl und Qualität der Beschäftigungsverhältnisse sollte verbessert werden. Aber leider ist das glatte Gegenteil eingetreten: Wir sind deutscher Meister bei der prekären Beschäftigung, Leiharbeit und Zeitarbeit explodieren, Minijobs sind weiter auf dem Vormarsch, mittlerweile gilt jede 6. Rheinland-Pfälzerin und jeder 6. Rheinland-Pfälzer als arm oder von Armut bedroht. Bei den Frauen ab 65 ist es schon jede 5. und bei den Alleinerziehenden jede zweite. Und ich sage jede 2., weil das eben hauptsächlich Frauen trifft. Der Landesregierung ist es in fünf Jahren nicht gelungen, zumindest eine Trendwende einzuleiten. Und auch der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vermittelt nicht den Eindruck, als wenn dies künftig anders werden sollte. Die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft, das enorme Anwachsen von Reichtum bei gleichzeitiger Verarmung von immer mehr Menschen, das ist die Realität in Rheinland-Pfalz. Und deswegen gilt am 13. März: Sozial muss drin sein, liebe Genossinnen und Genossen.

Wir haben uns zur Finanzierung unserer Kommunen Gedanken gemacht. Dazu besteht leider erheblicher Anlass: Nach der Pro-Kopf-Verschuldung bundesweit – der bundesweit am höchsten verschuldeten Städte – sind Kaiserslautern, Mainz, Pirmasens und Ludwigshafen Spitzenreiter. Trier folgt auf Platz 11. Nicht einmal die Landesregierung behauptet, dort könne man eben nicht mit Geld umgehen. Und spätestens als der Verfassungsgerichtshof des Landes die Kommunalfinanzierung für verfassungswidrig erklärt hat, musste es jedem klar sein: Das Land bricht die Verfassung. Vorsätzlich. Ein solches Urteil ist beispiellos. Geändert hat sich trotzdem wenig. Auch die in letzter Minute beschlossene Reform der Kommunalfinanzierung wird nicht vor den Richtern bestehen. Da vom Erfolgsland Rheinland-Pfalz zu sprechen, das grenzt an vorsätzliche Realitätsverweigerung. Wir wollen, dass Städte und Kreise endlich wieder so finanziert werden, dass das ewige Schuldenmachen endlich ein Ende hat.

Interessanterweise werfen CDU und SPD der Linken ja gerne vor, wir würden Fantasieschlösser bauen und immer mehr Geld ausgeben als einnehmen. Vorsicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD. Helmut Kohl hat die rheinland-pfälzischen Schulden von 1969 bis 1976 von 2,4 Milliarden Euro auf fast 6 Mrd mehr als verdoppelt! Kurt Beck hat in gut 18 Jahren mehr als 21 Milliarden Euro Schulden produziert. Und die Grünen? Die haben mitgemacht, wo sie konnten.

Vor fünf Jahren haben sich die Schuldenmacher dann selber Zügel angelegt. Mit der Schuldenbremse. Das Resultat: Der Anstieg der Schulden des Landes wird verringert. Aber: auch 2016 fehlen immer noch rund 500 Millionen Euro. Kaputtgespart werden aber die Kommunen. Auch das ist eine der vielen rot-grünen Scheinlösungen. Als Linke sagen wir: Wir brauchen die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz. Das wäre eine Aufgabe der Landesregierung im Bundesrat.

Auch zum Thema Verkehr haben wir konkrete Vorschläge: Wir wollen ein integriertes Konzept für alle Verkehrsträger. Beim öffentlichen Personennahverkehr sind wir übrigens die einzigen, die einen zukunftsfähigen Vorschlag machen. Denn der Bus wird zunehmend unbezahlbar, für die Kommunen als Leistungsträger einerseits, andererseits aber auch für die Fahrgäste. Wenn ich von meinem Wohnort in die Kreisstadt will, kostet das 9,50 Euro. Nur die Hinfahrt, wohlgemerkt. Viele Kreise können sich schon jetzt oft nur noch den Schülerverkehr leisten. Abends, am Wochenende und in den Ferien kommt man dann nicht mehr weg oder zurück. Es fehlt schlicht das Geld. Deswegen muss der Öffentliche Nahverkehr künftig anders finanziert werden, als Gemeinschaftsaufgabe. Wir wollen ein Dreisäulenmodell: Wie bisher Steuergeld, eine Abgabe für die Wirtschaft und eine weitere für die Haushalte. Dann könnte man künftig ohne Ticket fahren. Das mag ungewöhnlich klingen. Aber wenn nicht sehr bald etwas passiert, dann passiert in Sachen Öffentlicher Personennahverkehr bald nichts mehr!

Schlimm sieht es auch beim Lärmschutz aus: Flugzeuge, Bahn und Autos machen Krach, der krank macht. Aber nicht einmal bei der Bahn, die dem Bund gehört, kommt die Landesregierung zu akzeptablen Verbesserungen. Dabei bilden CDU und SPD die Bundesregierung. Auch hier gilt: Zeit für die rote Karte. Ohne politischen Druck, ohne DIE LINKE im Landtag, wird sich auch die nächste Landesregierung nicht im Sinne der Menschen bewegen.

Nach wie vor verlassen viel zu viele Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss, bei Menschen mit Migrationshintergrund gilt das noch verstärkt. Sprachkurse gibt es für rund 4.200 Schülerinnen und Schüler, gebraucht würden 12.300 Plätze. Und da sind die Flüchtlinge noch gar nicht komplett mitgerechnet. Der Vertretungspool für erkrankte Lehrer reicht nicht und im kommenden Jahr will Rot-Grün nur 314 neue Lehrerstellen schaffen. Das hätte schon ohne die Herausforderungen der aktuellen Fluchtbewegungen nicht gereicht. Aber so ist auch dies ein Zeichen für die Handlungsunfähigkeit der Landesregierung. Nach wie vor wird die Landesregierung viele Lehrer in den Ferien zur Bundesagentur für Arbeit schicken. Um Geld zu sparen. Das, liebe Genossinnen und Genossen, ist genauso unsozial wie die Deckelung der Beamtenversorgung, die die Landesregierung gerade, kurz vor der Landtagswahl, wieder beendet hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Und auf dem Unicampus in Landau wird gestreikt. Die Gründe sind die, die unser Land beim Bildungsmonitor so schlecht haben aussehen lassen: Beim Betreuungsverhältnis vorletzter Platz unter den Ländern. Schlusslicht bei der Forschungsorientierung. Platz 14 bei der Promotionsquote und beim Habilitationsnachwuchs Platz 15. Das ist, in Schulnoten ausgedrückt, eine glatte 6. Kein Wunder, dass die Studierendenzahlen in Rheinland-Pfalz gegen den Trend sinken. Erfolgsland Rheinland-Pfalz?

Lasst mich noch einige Worte zur sogenannten Flüchtlingskrise sagen. Denn eine Flüchtlingskrise gibt es nicht. Aber es gibt eine große Herausforderung, die übrigens derzeit zu einem großen Teil von freiwilligen Helferinnen und Helfern geschultert wird. Und was es gibt, ist eine Krise des Öffentlichen, des Solidarischen, der Daseinsfürsorge. Denn wachsende prekäre Beschäftigung, zunehmende Armut, steigende Wohnungsnot in den Städten und den Verfall öffentlichen Eigentums – all das hatten wir längst vor den Flüchtlingen. Die Flüchtlinge machen die Probleme nur deutlicher! Und sie sind deshalb willkommener Anlass für Hetzer, die Sündenböcke suchen. Aber: Mal ganz abgesehen von moralischen Pflichten, abgesehen vom Schutzauftrag des Grundgesetzes und ganz abgesehen von der Frage, ob unser Wirtschaftssystem die Fluchtgründe nicht wesentlich mitverursacht – Deutschland kann sich Hilfe finanziell leisten. Und wir können und müssen sehr viel mehr tun, um Armut und Not aller Menschen in unserem Land zu bekämpfen. Wir können günstigen Wohnraum schaffen und die öffentlichen Verkehrssysteme ausbauen. Rente und Gesundheitsfürsorge wieder auskömmlich und solidarisch organisieren. Und wir können sehr viel mehr für den Umweltschutz und den Erhalt natürlicher Landschaften tun. Reiche und Großunternehmen müssten dafür angemessene Steuern zahlen. Denn es gilt die alte Wahrheit: Wer Armen geben will, muss den Reichen nehmen. Dafür kämpft DIE LINKE, auch im nächsten Mainzer Landtag. Deshalb: Sozial muss drin sein!