Umweltverträglich geht nur sozial: Vorfahrt für den Öffentlichen Nah-, Fern- und den schienengebundenen Güterverkehr

Verkehrskonzept der LINKEN Rheinland-Pfalz

Der Status quo – marodes Verkehrsnetz in Rheinland-Pfalz

Die herrschenden Verkehrsverhältnisse sind ungerecht. Die Belastung durch Autos und LKWs trifft vor allem diejenigen, die es sich nicht leisten können, von der Hauptverkehrsstraße wegzuziehen. Die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in der Logistikbranche sind oft miserabel. Automobilkonzerne profitieren vom Abgasbetrug - der Schaden wird auf die Bevölkerung und auf die Beschäftigten abgewälzt. Für Öl und andere Rohstoffe werden weltweit Kriege geführt, einheimische Bevölkerungsgruppen vertrieben und ausgebeutet.

Hier findet ihr unser am 30.11.2019 in Bad Dürkheim beschlossenes
Verkehrskonzept in einem Dokument als PDF-Download.

Verkehr dient dem Transport von Gütern und Menschen: Die Hauptverkehre sind auch in Rheinland-Pfalz der motorisierte Individualverkehr, der Güterverkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft und der öffentliche Personennah- und fernverkehr. Was für die einen Alltag ist, wird für die anderen spätestens seit dem Erstarken der ökologischen Frage wieder aktuell. . Bus und Bahn werden immer beliebter bei Jung und Alt. Die jüngere Generation nutzt Bus und Bahn besonders zahlreich, auch auf Langstrecken und im Ausland.

Dieser Zuspruch ist kein Zufall: Er ist viel mehr die Folge der Verbesserung des ÖPNV durch den 1994 eingeführten Rheinland-Pfalz-Takt und kann als Indiz für das Potential des hiesigen Bus- und Bahnverkehrs gesehen werden. In Kooperation mit den Partnern der Verkehrsbünde Karlsruhe (KVV), Region Trier (VRT), Rhein-Mosel (VRM), Rhein-Nahe (RNN) und Rhein-Neckar (VRN) sollten Nahverkehrszüge mit möglichst wenig Umstiegs- und Wartezeit getaktet und eine Verschränkung der Verkehrsmittel vorgenommen werden. Wegen ihrer Bedeutung wurden auch die großen Landesbuslinien (RegioLinien) berücksichtigt. Deshalb wurden Prognosen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) von 1994-2003 um 82% übertroffen. Wer Angebote schafft, findet Nutzer*innen.

Auch mehr Komfort sollte wachsende Fahrgastzahlen garantieren: Klimatisierung und Neigetechnik brachten den neuen RegioExpresszügen einen nennenswerten Vorteil sowie eine Einnahmensteigerung um rund 20%. Die Fahrgastzuwächse bezogen sich jedoch überwiegend auf den Freizeitverkehr und auf Personen ohne Führerschein; die gewünschte Steigerung bei Berufspendler*innen blieb aus. Und schließlich sollte das Bahnhofsmanagement der DB AG zeitgemäß modernisiert werden. Doch statt zukunftsorientierter Planung, kam es insgesamt nur an 60 Bahnhöfen und Haltepunkten zu Ausbesserungen und Renovierungen, die mehr der Instandhaltung als der Modernisierung und Gestaltung dienten. Die Kosten gingen größtenteils auf Kosten der Steuerzahler*innen und der Fahrgäste, deshalb zahlten Bahnkund*innen doppelt. Die Profite strichen weiterhin die Teilhaber*innen ein.

Einige Strecken, wie z.B. die einst stillgelegte Strecke zwischen Grünstadt und Eisenberg, weisen nach der Reaktivierung eine Steigerung der Anzahl der Beförderten im Vergleich zur vorher verkehrenden Buslinie um 82% auf. Weitere Reaktivierungen wurden geplant, doch scheiterten meist schon in der Erkundungsstufe. Von ursprünglich sieben geplanten Strecken wurde lediglich eine bis zum Fahrplanwechsel 2015 reaktiviert. Realisiert wurden hingegen die Pläne für diverse weitere Haltepunkte entlang bereits bestehender Strecken.

Laut einer Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) könnten 212 KM Bahnstrecke in Rheinland-Pfalz reaktiviert werden. Darunter die "Weststrecke" bei Trier sowie die Strecke „Worms-Monsheim-Langmeil-Kaiserlautern“, die aufkommensstarke Räume miteinander verbinden könnten. Doch noch bleibt es bei der Planung.

Die jahrelange Misswirtschaft im rheinland-pfälzischen Streckennetz, die nach der Privatisierung in den frühen 90er Jahren begann, zeigt heute deutlicher denn je ihre Spuren. Defekte an Weichen sowie fehlende Investitionen in Schienen und Transportnetze sind nur einige der Folgen. Heruntergekommene und stillgelegte Strecken, Geisterbahnhöfe und verwilderte Anlagen zeigen das Ausmaß einer verfehlten, profitorientierten Mentalität gegenüber dem Allgemeingut Bahn!

Auch die geographische Verteilung der vorhandenen Strecken weist große Defizite auf. Die Streckenkonzentration im Osten von Rheinland-Pfalz, übergehend zur Metropolregion Rhein-Neckar, im Anschluss zum Netz in der Pfalz, zeigt ein relativ dichtes Netz, das über die Strecke Mannheim-Worms-Mainz bis Wiesbaden und Frankfurt einen Großteil der östlichen Knotenpunkte bedient. Je weiter wir gen Nord-Westen blicken, desto deutlicher erhalten wir eine deutlich abgespecktere Version. Fernab der großen Zentren dünnt sich das Schienennetz aus und ein dürftig geführter Linientackt wird teils gar nicht, teils nur sehr langsam ausgebaut. So stellt sich das geplante „ÖPNV Konzept Nord", konzipiert vom „Zweckverband Verkehrsbund Trier“ im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, als hilflose Maßnahme dar, die, neben einer blumigen Broschüre, nur eine Neuauflage der Informationen des Rheinland-Pfalz Taktes darstellt.

Rheinland-Pfalz ist im Einklang mit dem Verkehrsministerium in zwei Zweckverbänden zur Planung des ÖPNV, vorzugsweise des Schienenverkehrs organisiert. Dem SPNV Nord in Koblenz und dem ZSPNV im Süd in Kaiserslautern. Der SPNV Nord, bestehend aus 14 Landkreisen und der kreisfreien Stadt Trier sowie dem Land Rheinland-Pfalz und der ZSPNV Süd, bestehend aus 13 Landkreisen, 9 Städten und dem Land Rheinland-Pfalz, sollen die Rahmenbedingungen für den ÖPNV in Rheinland-Pfalz schaffen und den Ausbau der Infrastruktur organisieren. Wie gezeigt, kommen sie dieser Aufgabe jedoch nur unzureichend nach. 

Der Autoverkehr wird auch in Rheinland-Pfalz in jeder Hinsicht bevorzugt, entstehende Kosten werden vergesellschaftet oder gar nicht erst berechnet. Aus dem Status Quo entstehen reale gesellschaftliche Machtverhältnisse: Die Automobilindustrie ist angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einer der zentralen Player in jeder Verkehrsdebatte, Automobilvereine machen die Phalanx der Autobefürworter komplett.

Mit 2.449.404 zugelassen PKWs bei einer Bevölkerungsstärke von 4.066.053 Menschen besitzt durchschnittliche jede*r zweite*r Einwohner*in ein Auto. In einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz scheint das angesichts des Verhältnisses von Stadt- und Landbevölkerung nicht verwunderlich. Betrachtet man allein die Länge der Straßen außerhalb von Stadtgebieten, kommen wir auf 18.370 km, aufgeteilt in 7.374 km Kreisstraßen, 7254 km Landesstraßen sowie 2865 km Bundesstraßen und 877 km Bundesautobahn. Das wiederum entspricht im Durchschnitt von knapp einem Kilometer Straße je Quadratkilometer Landesfläche. Was fast alle dieser Strecken eint, ist ihre mangelhafte Instandhaltung und Sanierung aufgrund der verfehlten Politik der sogenannten „Schwarzen Null“.

„Der Zustand von über einem Drittel der Kreisstraßen in Rheinland-Pfalz ist schlecht. Rund 35,2 Prozent des Netzes von fast 7000 Kilometern - das sind 2400 Kilometer - erhielten bei der jüngsten derartigen Prüfung 2016 die Note 4,5 bis 5". Ein erschreckendes Ergebnis fehlgeleiteter Sparpolitik. „Damit war der Schwellenwert überschritten, bei dem Handlungsbedarf für Baumaßnahmen oder Einschränkungen für den Verkehr besteht. Rund 1300 Kilometer oder fast 19 Prozent des Netzes erhielten die Note 3,5 bis unter 4,5 - das ist der Warnwert. Im Vergleich zur vorherigen Zustandserfassung von 2011 hat sich die Situation noch verschlechtert: Damals hatten 31 Prozent der Kreisstraßen die schlechteste Note erhalten. 2006 war der Anteil mit 40 Prozent allerdings noch höher gewesen […]. Bei der Prüfung von 2016 wurden rund 99 Prozent der Kreisstraßen erfasst. Die nächste Erfassung ist für das Jahr 2021 geplant. 

Fast genauso schlimm gestaltet sich der Zustand der Brücken in Rheinland-Pfalz. Von den 7500 Brücken in unserem Bundesland bekamen bei der letzten Prüfwelle gerade mal zwei Brücken die Note 1.  Jede 5. Brücke ist gar in schlechtem Zustand. Die Landesregierung jedoch trägt den Investitionsstau wie einen Hauptgewinn vor sich her und gibt nur mühsam und tröpfchenweise Projekte frei. Das subjektive Gefühl, dass unsere Straßen Schlaglochpisten sind, hat somit objektive Ursachen

Die massive Belastung durch den schweren Güterverkehr auf den Straßen unseres Landes trägt erhebliche Mitschuld an den Zuständen und wird für Rheinland-Pfalz als Durchfahrtsland zu einem wiederkehrenden, finanziellen Mammutprojekt. Wir lehnen den Transport mit Gigalinern auf rheinlandpfälzischen Straßen grundsätzlich ab.Die weitere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schienen darf unter anderen deshalb nicht vernachlässigt werden. Bislang werden circa 40 Millionen Tonnen jährlich auf diese Weise durch Rheinland-Pfalz transportier. Um diesen Wert auszubauen, ist schnelles Handeln gefordert. Auch wenn sich die Rheintalstecke Rhein-Main-Cargo immer noch in einer der aktiven Planungsphasen befindet, zeichnet sich durch die Öffnung des Gotthard-Basistunnels 2016 ein erheblicher Entwicklungsdruck ab. Die Bahn muss hier innovativ sein und die Fehlentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte, die insbesondere die Streckenstillegungen in der Fläche darstellten, rückgängig machen. Passiert dies nicht, droht sie abgehängt zu werden. In den letzten 25 Jahren wurde das Netz jedoch aufgrund von Sparmaßnahmen und Profitorientierung regelrecht fahrlässig nur als Pflichtaufgabe und vor allem durch Wartung betreut. Das erkennt man sofort, wenn man das deutsche Schienennetz verlässt und sich in anderen europäischen Ländern mit der Bahn bewegt. Der (erneute) Anschluss weiterer Betriebe ist eine vordringliche Aufgabe öffentlicher Infrastruktur und soll im Rahmen eines notwendigen, umfassenden Ausbaus des Schienenverkehrs erfolgen. Dementsprechend sind Anreize zur Umlagerung des Transportverkehrs auf die Schiene zu schaffen und ist der LKW-Verkehr, der die Infrastruktur Straße deutlich leiden lässt, zu sanktionieren.

Rheinland-Pfalz hat nur noch einen echten Verkehrsflughafen, den Flughafen Hahn. Der Flughafen Zweibrücken beendete 2014 den Geschäftsbetrieb und auch der Hahn scheint wirtschaftlich, trotz Nachtfluggenehmigung, nach wie vor in Turbulenzen zu sein. Die unendliche Geschichte der Hahn-Skandale führt hier zu weit – aber als Anlieger der Großflughäfen Frankfurt/Main und Köln/Bonn sind Teile des Landes unmittelbar vom Luftverkehr und seinen Auswirkungen betroffen: Fluglärm und Kerosinbelastung sind dabei die drängendsten Probleme. Nach dem Hype um Regionalflughäfen scheint jetzt mehr Realismus in die Köpfe eingezogen zu sein: Luftverkehr hat in unserem Land nur eine untergeordnete Bedeutung, sowohl, was die Fracht- und Passagierzahlen als auch was die daran hängenden Arbeitsplätze betrifft. In jedem Fall muss auch am Hahn ein Nachtflugverbot her, damit auch die Menschen im Hunsrück ruhige Nächte verbringen können. Das Nachtflugverbot muss überall von 22:00 - 6:00 Uhr gelten.

Mit dem Rhein, der Mosel, der Saar und der Lahn fließen vier Flüsse durch Rheinland-Pfalz, die für die Binnenschifffahrt erschlossen sind und gut an das europäische Wasserstraßennetz angeschlossen sind. Diese Chance gilt es intensiver als bisher nutzbar zu machen, um den Güterverkehr von den Straßen zu holen und Orte und Menschen an den Ufern der Flüsse miteinander zu verbinden.

Uns ist bewusst, dass die sozial-ökologische Verkehrswende eine Aufgabe ist, die Jahre in Anspruch nimmt. Aber die  Klimakrise, das Recht auf Mobilität ohne Auto im ländlichen Raum, die Generationengerechtigkeit und das Recht auf Mobilität auch für Menschen mit geringen Einkommen lassen kein Zögern mehr zu: die rot-grün-gelbe Landesregierung hat, wie die SPD-geführten Vorgängerregierungen, den notwendigen Politikwechsel verschlafen.

Wer eine sozial-ökologische Verkehrswende will, kommt an einem starken ÖPNV nicht vorbei. Hier muss den Kommunen mehr Spielraum zum Ausbau des Liniennetzes, der Preisgestaltung der öffentlichen Verkehrsunternehmen, etc. gegeben werden. Der ÖPNV muss hierzu als Beitrag zur Daseinsfürsorge kommunale Pflichtaufgabe und somit vor dem Rotstift der ADD über Legislaturen hinaus geschützt werden. Das klingt nur auf den ersten Blick unbezahlbar – schon heute wird der Nahverkehr zu großen Teilen aus Steuern finanziert. Hierzu gab es bereits Signale grundsätzlicher Bereitschaft aus dem Verkehrsministerium, die nun in einen Gesetzestext gegossen werden müssen. Diese Spielräume werden dringend gebraucht. So unter anderem für die flächendeckende Schaffung von Sozialtickets, die zwar nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum ticketlosen ÖPNV sein können, jedoch vorerst das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Recht auf Mobilität für alle sichern.

Bei einer bundesweiten Befragung gaben 75,2% der Befragten Nicht-ÖPNV-Nutzer*innen und sogar 59,5% derer, die regelmäßig auf Bus und Bahn zurückgreifen, an, dass die Abstände zwischen den Abfahrtszeiten zu groß sind. Hieraus lässt sich unschwer ableiten, wie groß die Lenkungswirkung einer Verbesserung des Angebots, insbesondere im ländlichen Raum, wäre. Diese Ausweitung des Angebots kann auch durch den Einsatz kleinerer, im Unterhalt günstigerer Fahrzeuge möglich gemacht werden.

Auch die Berechtigung der Kommunen, eine ÖPNV-Abgabe zu erheben, die 60 Euro pro Person und Jahr nicht überschreiten darf, nach Einkommen gestaffelt ist und dem Ausbau des Liniennetzes sowie der Qualitätssteigerung und Preissenkung zukommt, wäre im Bereich des Möglichen. Hier könnten beispielsweise Unternehmen, die von der ÖPNV-Anbindung profitieren, zur Abgabe herangezogen werden. Um außerdem dem Ziel eines ticketlosen ÖPNV näherzukommen, muss Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle übernehmen: über Bundesratsinitiativen könnten zielführende Gesetzesänderungen und Entschließungen auf den Weg gebracht werden. Beispielsweise eine Novelle des Personenbeförderungsgesetzes, die den Kommunen mehr Freiräume für Modellprojekte lässt, und gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung für die Beschäftigten der (privaten und öffentlichen) Verkehrsbetriebe festschreibt. Ausschreibungen von Buslinien müssen ökologische Kriterien und Klimaschutzmaßnahmen unbedingt berücksichtigen! Tariftreue muss eingefordert und überprüft werden! Arbeitstechnische Zwangspausenzeiten müssen als Arbeitszeit angerechnet werden.Auch für ein Bundesprogramm, das Jugendlichen unter 18 Jahren sowie Empfänger*innen von Transferleistungen die kostenlose Nutzung des Nahverkehrs ermöglicht, könnte hier geworben werden. Sollte dies nicht erfolgreich sein, müssen auf Landesebene die Möglichkeiten ausgelotet werden, ein kostenloses Schüler*innenticket und kostenlose Tickets für Auszubildende zu schaffen, insbesondere um finanzschwache Familien zu entlasten.

Mit einer sinnvoll nutzbaren Abgabe auf kommunaler Ebene ist es allerdings noch nicht getan. Die im Rahmen des Rheinland-Pfalz-Takts stattfindende Belebung der Westtrasse im Raum Trier begrüßen wir. Sie muss jedoch in eine mit den Kommunen verzahnte Wiederbelebung weiterer stillgelegter Bahnstrecken, beispielsweise der Eifelquerbahn, eingebunden sein. Auch neue Strecken müssen erschlossen werden, um insbesondere den Westen des Landes besser mit der Landeshauptstadt Mainz zu vernetzen. Alle Bahnstrecken sind elektrifiziert zu planen und alle noch nicht-elektrifizierten Strecken bis 2025 umzurüsten. Gerade weil diese Maßnahmen mehrere Jahre benötigen, muss mit der Planung jetzt begonnen werden. Auch die Aufwertung bestehender Bahnhofsareale muss in diesem Kontext als Aufgabe begriffen werden. Der Bahnhof der Zukunft wird als Schnittstelle intermodaler Netze dienen und ist damit wirtschaftlich und sozial auch Treffpunkt und Drehscheibe progressiver Verkehrsentwicklung fernab des Individualverkehrs.

Die Verkehrsplanung darf jedoch nicht an der Landesgrenze halt machen. Es braucht eine bessere Vernetzung mit den Verkehrsbünden-, -unternehmen und anderen Verantwortungsträger*innen angrenzender Bundesländer (Saarland, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg) und Staaten (Luxemburg, Frankreich, Belgien). Wir wollen eine institutionalisierte Form des Austauschs, ähnlich dem Konzept des Rheinland-Pfalz-Taktes, die eine bessere Abstimmung der Taktung – auch im Hinblick auf den Übergang von Nah- zu Fernverkehr – ermöglicht. Hier muss ein Fokus zudem auf dem Aspekt der Intermodalität, also der Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel, liegen, die insgesamt bei der Verkehrsplanung zu wenig Beachtung findet. Grenzüberschreitende Ruf-Sammeltaxi-Systeme wären in diesem Kontext ein ebenso lohnendes Pilotmodell, wie die flächendeckende Stationierung von Leihrädern an Bahnhöfen, die auch über Grenzen hinweg genutzt und abgegeben werden können. Dies könnte zur Steigerung der Attraktivität der Grenzregionen, insbesondere für Pendler*innen, beitragen.

Der Bau eines umfassenden Schienennetzes in Rheinland-Pfalz ist aufgrund der lange vernachlässigten Planung erst mittel- bis langfristig zu schaffen. Für den Übergang und auch zur zukünftigen Ergänzung des Schienenverkehrs ist ein landesweites Fern(schnell-)busverkehrsnetz zu schaffen. Ein solches umfasst notwendigerweise die Anbindung aller urbanen Räume und deren Verbindung mit den Großstädten in hoher Frequenz, so dass es einen wirksamen Ersatz zum MIV bieten kann. Überall dort wo keine Bahnverbindung (mehr) existiert, soll analog zu möglichen Strecken ein schneller Busverkehr eingerichtet werden auf dem bis in die späten Abendstunden auch die Möglichkeit zur Befriedigung sozialer und kultureller Bedürfnisse im städtischen Raum besteht.

Die Einführung eines landesweiten Semestertickets, das auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde, und in einem Solidarmodell realisiert werden muss, läuft zu schleppend. Hier müssen weitere Unterstützungsmöglichkeiten des Landes ausgelotet werden. Außerdem muss das Saarland Teil eines Gesamtpaketes sein, ist das Ticket doch nur so wirklich attraktiv, indem es Nord- und Süd-Rheinland-Pfalz verbindet, der großen Anzahl saarländischer Studierender an den hiesigen Hochschulen sowie der Rolle des Saarlandes als Knotenpunkt für das Schienennetz des Südwestens Rechnung trägt. Parallel dazu fordern wir landesweite Tickets für Auszubildende.

Notwendig ist schließlich eine Imagekampagne, die den ÖPNV im Zeitgeist verankert und ihn als fortschrittliche, bequeme und zuverlässige Alternative der Zukunft in das Bewusstsein hebt.

Die bisherige Struktur der kleinräumigen Verkehrsverbünde sind aufzulösen. Die bisherige Struktur ist wesentlich mit dafür verantwortlich, dass es weder ein landesweites Semesterticket noch auch ein jenseits davon existierendes Landesticket existiert. Auch die überhöhten Preise im ÖPNV lassen sich in erheblichem Maße auf die Zersplitterung in zahlreiche Verkehrsverbpünde zurückführen. Verkehr muss landesweit einheitlich und zentral organisiert werden, um anstehende Aufgaben wie ein Landesticket adäquat umsetzen zu können und eine aufeinander abgestimmte ÖPNV-Taktung auf allen Ebenen einführen zu können.

Der bereits angesprochene Investitionsstau auf den Straßen unseres Landes ist enorm. Der Landesrechnungshof spricht von fast einer Milliarde Euro, die allein in die Sanierung der Landesstraßen fließen müssten. Zwar investiert das Land in dieser Legislatur kontinuierlich mehr über das Landesstraßenbauprogramm (2019 und 2020 fließen 250 Millionen Euro in das Programm), die Prioritätensetzung ist jedoch völlig falsch. Die Strategie muss – entgegen der Strategie der die Verkehrswende bremsenden FDP – Erhalt vor Neubau sein. Wir wollen daher, dass mindestens 80% der zur Verfügung gestellten Mittel in den Erhalt der Landesstraßen fließen, um deren katastrophalen Zustand zu beheben. Hierbei müssen dauerhafte Kernsanierungen, statt lediglich kosmetischer Maßnahmen, im Vordergrund stehen.

Um des Investitionsstaus auf den Kreisstraßen Herr zu werden, ist eine verfassungskonforme Ausfinanzierung der Kommunen, für die sich DIE LINKE seit Jahren einsetzt, unumgänglich.

 

Uns ist klar, dass die Zukunft der Mobilität nicht im Individualverkehr liegen darf und wird. Dennoch sind wir uns bewusst, dass insbesondere im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz viele Menschen auf das Auto angewiesen sind, auch weil viele Dörfer für den Bus- und Bahnverkehr bisher kaum erschlossen oder in den vergangenen Jahrzehnten gar abgekoppelt wurden. Wir wollen die Effektivität der Nutzung des PKW solange steigern, bis er obsolet geworden ist. Hierfür fordern wir ein Förderprogramm zum Aufstellen sogenannter Mitfaher*innenbänke in den Gemeinden sowie die Entwicklung einer App im Auftrag des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums, mit der nicht-kommerzielle Mitfahrgelegenheiten, beispielsweise in das nächste Oberzentrum, geboten und gesucht werden können. So würde nicht nur ein bereits florierender Markt durch ein entsprechendes Angebot aus öffentlicher Hand demokratisiert werden, sondern auch die Effizienz der PKW-Nutzung gesteigert, sind Autos im ländlichen Raum heute doch häufig nur mit 1,1 Personen besetzt. Und schließlich muss das Bus- und Bahnangebot in und um die großen Zentren so verbessert werden, dass öffentlicher Nahverkehr eine gute Alternative zum Auto ist. Ergänzt um (Einkaufs)Bringdienste und Transportangebote für sperrige Gegenstände, könnte so das Auto Schritt für Schritt aus den Städten verdrängt werden. Städte, Kreise und Verbandsgemeinden werden verpflichtet Mobilitätsbeauftragte zu bestimmen. Diese sorgen dafür, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, Fußgängern, Fußgängerinnen, Radfahrern, Radfahrerinnen und dem ÖPNV absoluter Vorrang eingeräumt wird gegenüber dem Individualverkehr.

In den Städten heißt das: der Straßenraum wird für den fahrenden wie für den parkenden Individualverkehr drastisch eingeschränkt. Stattdessen entstehen Fuß- und Radwege und Plätze zum Aufenthalt. Barrierefreiheit ist ein Muss. Auf dem Lande heißt das zusätzlich:

es wird ein alltagstaugliches Radwegenetz zwischen den Orten geschaffen. Keine Straßeninstandsetzung findet mehr ohne Berücksichtigung der Belange der RadfahrerInnen und FußgängerInnen statt. An Straßen ohne Radwege (z.Zt. z.B. Kreisstraßen), wird die Geschwindigkeit deutlich reduziert und das Überholen von RadfahrerInnen bei Gegenverkehr ist untersagt.

Der MIV ist im städtischen Raum überkommen und überflüssig. In Anbetracht der drohenden Klimakatastrophe ist er schrittweise aus den Städten zu verdrängen und durch Fahrrad-, Bus-, Bahn- und Fußgänger*innenverkehr zu ersetzen. Die durch die Abschaffung des Bedarfs an Park- und Stellflächen wieder für die Allgemeinheit nutzbar gewordenen Räume, sind sowohl im Sinne des Wohnraummangels, wie auch im Sinne des zu hohen Flächenverbrauchs und für das sich katastrophal entwickelnde Mikroklima zu nutzen. Die Luft- und Lebensqualität in den Städten wird sich mit der Reduzierung des MIV deutlich verbessern. Zur Nutzung der Städte von außerhalb sind, so lange noch notwendig, umfassende kostenfreie Park & Ride-Plätze zu schaffen, angebunden mit hochfrequenten Bussen- und Bahnen, auch der aus ländlichem Raum kommenden Bevölkerung Teilhabe am städtischen Leben ermöglicht.

Verkehr findet zum größten Teil in gut erreichbaren und nahegelegenen Räumen statt. Für den Verkehr bis 5km ist die Vermeidung allen MIV anzustreben und prioritär Radfahrer*innen wie Fußgänger*innen zu fördern. Gerade auf zwischenörtlichen Verbindungen benachbarter Orlte, wie auch innerstädtisch, sind der Platzverbrauch des Autoverkehrs zu reduzieren und zugunsten von ökologischen Fortbewegungsarten umzuwidmen. Systematisch sind sichere Radverbindungen auf/an allen Land- und Bundesstraßen auszubauen und bequem nutzbare Fußwege anzulegen. Radwege sind dabei nicht nur auf zwischenörtlichen Verbindungen auszubauen, sondern auch in die Orts- und Stadtmitte zu führen. Systematisch ist insbesondere kleinräumig der Waren- und Lastentransport durch Muskelkraft z.B. Lastenfahrräder auszubauen. E-Mobilität kann dagegen nur im eng begrenzten Rahmen eine ergänzende Alternative dazu darstellen, die aber vorrangig über die Kommunen zu regeln ist. Die aktuelle Praxis kommerzieller Anbieter E-Roller allüberall aufzustellen löst verkehrstechnische Bedürfnisse nicht auf, sondern verlagert ökologische Probleme mitunter, was sich beispielsweise an der ungeregelten Entsorgung der nach ca. einem halben Jahr verbrauchten E-Roller zeigt.

Das Thema Verkehr umfasst jedoch nicht nur den Personen-, sondern auch den Güterverkehr. Wir wollen den Verkehr von der Straße auf die Schiene und das Wasser verlagern. Hierzu braucht es zum einen das bereits angesprochene, ausgebaute Schienennetz, aber auch weitere Anreize. Beispielsweise die Ausweitung der LKW-Maut auf Land- und Bundesstraßen, was zudem die Lärmbelästigung der Anwohner*innen sowie die Abnutzung der Straßen mildern würde. Gleichzeitig müssen Anwohner*innen der Trassen – beispielsweise im Mittelrheintal - mit wirksamen Lärmschutzmaßnahmen vor Gesundheitsschäden geschützt werden. Hier gilt es im Bundesrat die Initiative für eine weitere Verschränkung des Güterverkehrs auf der Schiene und dem Wasser anzustreben.

Viele dieser angesprochenen, kurzfristigen Maßnahmen kosten auf verschiedenen Ebenen des föderalen Systems Geld. Hierzu sei auf unser Steuerkonzept auf Bundesebene, unsere stete Forderung nach verfassungskonformer Finanzierung der Kommunen sowie unsere Ablehnung der Schwarzen Null verwiesen. In Zeiten historisch niedriger Zinsen, hohem Investitionsstau und den drängenden Aufgaben, ist diese Investitionsverweigerung durch nichts zu rechtfertigen. Außerdem ließen sich bisher in die Automobilindustrie fließende Subventionen entsprechend einer sozial-ökologischen Verkehrswende umleiten, was zudem eine weitere Privatisierung öffentlicher Gelder verhindern würde.

Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sind zeitintensiv. Neben einer steten Erfolgs- und Qualitätskontrolle muss nach drei Jahren Bilanz gezogen und gegebenenfalls nachgesteuert werden. Einige Ziele sind jedoch aufgrund der drängenden Priorität und schnellen Umsetzbarkeit auf jeden Fall bis zum besagten Zeitraum auf Basis des oben Genannten zu vollenden. Durch Ausbau des Angebots sowie einer optimierten, intermodalen Taktung darf es keinen Ort mehr geben, aus dem die Fahrt in das nächste Mittel- oder Oberzentrum mehr als 60 Minuten dauert. Auch muss der Investitionsstau auf den Landesstraßen bis dahin um mindestens 300 Millionen Euro gesenkt sein. Als Indikator eines attraktiveren ÖPNV muss die Zahl der jährlichen PKW-Neuzulassungen stark rückläufig und bis 2022 um 20 % im Vergleich zum Jahr 2018 gesunken sein.

Bis 2022 muss es zudem mindesten 5 Modellkommunen in Rheinland-Pfalz geben, in denen die Lenkungswirkung des ticketlosen ÖPNV sowie weitere Voraussetzungen für die flächendeckende Realisierung erprobt werden. Beim Bund muss weiter für Förderprogramme, die den Weg hin zum ticketlosen ÖPNV begleiten, gekämpft werden. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen müssen außerdem derart wettbewerbsfähig sein, dass sie private Anbieter bei der Bedienung von Linien weiter zurückzudrängen. Nur in öffentlichen Unternehmen können die Arbeitsbedingungen gut überwacht, können Mitbestimmung und demokratische Rechte der Mitarbeiter*innen gesichert werden. Auch müssen mittelfristig Nahverkehrs- und Fahrgastbeiräte effektiv in die Entscheidungsfindung der Unternehmen eingebaut werden. Die Kommunen müssen darüber hinaus finanziell befähigt sein, den bis dahin durch zunehmend autofreie Quartiere entstehenden Platz zur Begrünung und die bessere Anbindung an und den Ausbau von bestehenden Fahrradwege zu nutzen. Stillgelegte, nicht mehr zeitgemäße Bahnanlagen müssen zur konzeptionellen Überplanung den Gemeinden und Städten zurückgegeben werden.

Sollte die Lenkungswirkungen der getroffenen Maßnahmen für die Reorganisierung des Güterverkehrs nicht ausreichend greifen, obwohl Alternativen existent sind, müssen weitere ordnungspolitische Maßnahmen getroffen werden, beispielsweise Fahrverbote für besonders unter der Belastung leidende Straßenabschnitte.

Rheinland-Pfalz braucht einen „Verkehrsplan 2025“. Bis dahin muss ein ticketloser ÖPNV Realität sein. Neben der bisherigen Steuerfinanzierung durch das Land und der Haushaltsabgabe muss der Bund Pflichten übernehmen. Die Streichung von Subventionen in Diesel-Technologien, die Abkehr von der schwarzen Null und eine Sonderabgabe der Automobilindustrieschaffen hier Spielraum.

Nur, wenn Öffentlicher Nah- und Fernverkehr ein gutes, barrierefreies Mobilitätsangebot machen, sind harte Maßnahmen gegen den motorisierten Individualverkehr sozialpolitisch vertretbar und überhaupt durchsetzbar. Denn mit der gesellschaftlichen Akzeptanz steht und fällt die sozial-ökologische Verkehrswende.