Starke Betriebsräte statt Himmelreich

Alexander Ulrich, MdB

Anlässlich des Besuches des katholischen Kirchenoberhauptes erinnert Alexander Ulrich an die ungelösten Fragen im Zusammenhang mit dem Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz:

„Die Fakten sind bezeichnend: Dank des Tendenzschutzes im Betriebsverfassungsgesetz genießen u.a. die Kirchen eine exklusive Sonderrolle als Arbeitgeber: Bei kirchlichen und kirchennahen Arbeitgebern wie Pflegeheimen, Kindergärten, Schulen, Sozialstationen u. ä. ist die Arbeit der Betriebsräte stark eingeschränkt – statt starken Mitsprache- und Mitbestimmungsrechten in allen wesentlichen Personalfragen gibt es für die Mitarbeitervertreter in „tendenzgeschützen“ Betrieben und Einrichtungen nur sehr schwache und wirkungslose Einflussmöglichkeiten. Sogar bei Einstellungen und Kündigungen haben die Betriebsräte, wenn solche überhaupt vorhanden, so gut wie keine Mitbestimmungsrechte.

Rund 2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in zahlreichen Sozialen Einrichtungen, Betrieben und Büros, die nach kirchlicher und nicht zuletzt katholischer Interpretation dem so genannten Tendenzschutz unterliegen. Seit Jahrzehnten kämpfen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter dafür, dass endlich auch bei kirchennahen Beschäftigungsverhältnissen demokratischere Zustände und eine größere Rechtssicherheit einziehen.

Ich finde es bedauerlich, dass der Papst vor dem Deutschen Bundestag zu diesen wie auch zu anderen brennenden politischen Fragen keinerlei konkrete Worte gefunden hat, obwohl er auch für diesen Bereich letztendlich die Verantwortung trägt. Philosophisch-schulmeisterlich anderen ins Gewissen zu reden, mag man zwar noch tolerieren; aber dennoch stünde auch den Mächtigen der Katholischen Kirche die von Benedikt XVI. geforderte Selbstkritik gut an:

„Aber was siehst du den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, aber den Balken der in deinem eigenen Auge ist, nimmst du nicht wahr? (Lukas, 6.41)“.

So heißt es in der Bibel. Sicher ist es notwendig, immer und jederzeit Demokratie und Toleranz zu fordern, aber muss die römisch-katholische Kirche nicht daraus auch Selbstverpflichtungen für ihren eigenen Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und für ihre eigenen Institutionen ableiten?“

Alexander Ulrich weiter: „Ich meine, dass auf Dauer auch für die römisch-katholische Kirche und für Papst Benedikt kein Weg daran vorbeiführt, allen kirchennahen Beschäftigten wenigstens die Rechte einzuräumen, die in „normalen“ Arbeitsverhältnissen seit langem selbstverständlich sind.

Hunderttausende Beschäftigte mit viel zu geringen Löhnen bis hin zum Niedrigstlohn und ohne demokratische Mitbestimmungsrechte können doch nicht auf Dauer auf den Einzug des Himmelreichs auf Erden warten. Als LINKE stehen wir an ihrer Seite und unterstützen alle Forderungen, im 21. Jahrhundert endlich die überall geltenden selbstverständlichen demokratischen Standards und Rechte auch in den kirchennahen Arbeitsverhältnissen durchzusetzen.“