Kommunalfinanzen: Wer bestellt, bezahlt!

Jochen Bülow und Frank Eschrich

Seit 2004 ist das strikte Konnexitätsprinzip in der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz verankert. Dies bedeutet, dass den Kommunen übertragene Pflichtaufgaben auskömmlich gegenfinanziert sein müssen. Von der Aufgabenübertragung haben Bund und Land ausgiebig Gebrauch gemacht, nicht jedoch von der Übertragung der entsprechenden finanziellen Mittel. Dies führte zu ständig wachsenden Defiziten, insbesondere in den Sozialhaushalten der Kommunen. Größter Brocken sind die Folgekosten der Arbeitslosigkeit, aber auch der Ausbau der Kinderbetreuung und weitere Gesetzesänderungen schlagen zu Buche. Beispielsweise bezahlt der Bund durchschnittlich nur 30 Prozent der Unterkunftskosten von Sozialleistungsbeziehern. Der Rest bleibt an den Kommunen hängen. Landesvorsitzender Jochen Bülow und Landesvorstandsmitglied Frank Eschrich kommentieren diese Entwicklung aus Sicht der LINKEN:

Jochen Bülow: „Es ist mehr als eine Ironie der Geschichte, dass die Verschuldung der rheinland-pfälzischen Kommunen gerade seit 2004 drastisch angestiegen ist, denn in der Praxis wurde das Konnexitätsprinzip im Verfassungsrang nie angewandt. Stattdessen wurden den Städten und Gemeinden immer mehr Pflichtaufgaben ohne Gegenfinanzierung aufgebürdet. Die Sozialgesetzgebung ist im Großen und Ganzen Bundesangelegenheit, deshalb greift es zu kurz, alleine die Landesregierung für die Kommunalverschuldung verantwortlich zu machen. Insbesondere die Folgekosten der Arbeitslosigkeit und Altersarmut gehen auf das Versagen der Bundesregierung zurück, durch eine gerechte Steuerpolitik für Mehreinnahmen des Staates zu sorgen und diese gerecht auf die politischen Ebenen zu verteilen. Seit Jahren wird die Altschuldenproblematik der Kommunen im Bundestag diskutiert, aber trotz vollmundiger Versprechen wird das Problem weiter auf die lange Bank geschoben.“

 

Wie oft muss geklagt werden, bis sich eine Regierung an die Verfassung hält?

 

Nach einer Klage des Landkreises Neuwied entschied der Landesverfassungsgerichtshof bereits 2012, dass die Kommunalfinanzierung des Landes Rheinland-Pfalz verfassungswidrig ist. Das System der Schlüsselzuweisungen wurde daraufhin verändert und der Kommunale Entschuldungsfonds aufgelegt. Trotzdem stiegen die Schulden der Kommunen weiter dramatisch an. Dies führte zu weiteren Klagen der Stadt Pirmasens und des Landkreises Kaiserslautern, was im Fall Pirmasens inzwischen sogar bis zum Bundesverfassungsgericht führte. Davon zeigen sich Bund und Land allerdings unbeeindruckt. Ganz im Gegenteil holt insbesondere das Land Rheinland-Pfalz nun zum Gegenschlag aus: In Worms wurde der Oberbürgermeister von der Kommunalaufsicht genötigt, einen demokratisch gefassten Beschluss des Stadtrates aufzuheben und gegen den erklärten Willen der gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger eine Erhöhung der Grundsteuer durchzusetzen. Bei Zuwiderhandlung wurde dem Wormser Oberbürgermeister persönliche Haftung angedroht. In Ludwigshafen wurde eine bereits angesetzte Sondersitzung des Stadtrats aus dem gleichen Anlass in letzter Minute abgesagt, nachdem die Kommunalaufsicht eingelenkt hatte. Perfider agierte der Landesrechnungshof im Bezirksverband Pfalz: Um den Ergebnishaushalt auszugleichen, hat der Landesrechnungshof bis zur „etwaigen Auflösung des Bezirksverbandes Pfalz“ gefordert, die Verbandsumlage drastisch zu erhöhen, um damit ungedeckte Pensions- und Beihilferückstellungen des Landes Rheinland-Pfalz auszugleichen.

 

Demokratie verteidigen gegen eine Politik der Feigheit!

 

Frank Eschrich: „Mit dieser Vorgehensweise wird die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung ausgehebelt und der Bezirkstag, Stadträte und Kreistage mit erpresserischen Methoden entmündigt. Für den fortgesetzten Verfassungsbruch und die ungedeckten Kosten des Arbeitsplatzabbaus in der Wirtschaft bedient man sich finanziell bei den schwächsten Gliedern in der Kette, während Konzerne, Reiche und Besserverdienende auch zukünftig weder eine Vermögensteuer noch die Rückzahlung von hinterzogenen Steuergeldern in Milliardenhöhe befürchten müssen. Das ist eine Politik der Feigheit. Die Ungleichheit wächst, Vermögen konzentriert sich in immer weniger Händen, Gewinne werden privatisiert und Kosten sozialisiert. Das Prinzip 'Die Letzten beißen die Hunde' darf sich nicht durchsetzen! DIE LINKE Rheinland-Pfalz steht an der Seite der rheinland-pfälzischen Kommunen und wird sich den Erpressungsversuchen der Kommunalaufsicht und des Landesrechnungshofs nicht beugen. Wir fordern eine umfassende kommunale Finanzreform und eine auskömmliche Finanzierung kommunaler Pflichtaufgaben nach dem Verursacherprinzip. Einer Sanierung der Staatsfinanzen auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger erteilen wir genauso eine Absage wie einem ruinösen Steuerdumpingwettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften um die geringsten Grund- und Gewerbesteuersätze in Rheinland-Pfalz.“