Für eine solidarische und offene Gesellschaft

Beschluss des Landesparteitages

Gegen die Instrumentalisierung einer Beziehungstat

Beschluss des Landesparteitages vom 17.2.2018 in Montabaur

Demo-Aufruf für den 3.3.2018 nach Kandel

Am 27.12.2017 wurde eine Jugendliche Opfer einer furchtbaren Beziehungstat. Ihr 15-jähriger Ex-Freund erstach sie in einem Drogeriegeschäft in Kandel. Solche Taten werfen die Frage auf, wie derartige Grausamkeiten möglich sind und befeuern unweigerlich gesellschaftliche Debatten. Im Falle der verurteilenswerten Tat von Kandel waren es allerdings (Neu)Rechte Demagog*innen, die den gesellschaftlichen Diskurs maßgeblich beeinflussten. Ihnen ging und geht es nicht um Trauer um eine viel zu früh aus dem Leben gerissene, junge Frau oder Strukturen unserer patriarchalen Gesellschaft, die Beziehungstaten, denen überproportional Frauen zu Opfer fallen, begünstigt. Sie geben viel mehr die falschen Antworten auf die falschen Fragen, um politisches Kapital aus dem Geschehen zu schlagen. Schon kurz nach der Tat begannen Hetzer der AfD, der Identitären Bewegung und anderer reaktionärer Organisationen eine Erzählung zu etablieren, nach dem die Tat unweigerliche Folge der deutschen Migrationspolitik und in der (afghanischen) Herkunft des Täters begründet sei. Dies ist aus mehreren Gründen abzulehnen:

Zum einen werden Straftaten von Straftätern begannen. Diese banale Feststellung wird dann wichtig, wenn durch die Ethnisierung von Kriminalität die Schuld an einer Straftat einer gesamten Ethnie oder als fremd betrachteten Gruppe – in diesem Fall Geflüchtete/Araber*innen – zugesprochen wird. Dies ist auf zwei Ebenen problematisch. Zum einen werden in der Folge derartiger Taten Menschen mit ihnen in Verbindung gebracht, die nie straffällig wurden. Sie werden auf Grund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens Opfer rassistischer Diskriminierung, die auf einer vermeintlichen Gefahr durch die Betroffenen basiert. Zum anderen wird der Täter* von seiner Verantwortung für die Tat implizit freigesprochen. Er tritt nichtmehr als Straftäter in Erscheinung, sondern als Vertreter einer bestimmten Gruppe, die grundsätzlich dazu verdammt sei, Straftaten zu begehen.

Die Angesprochenen zunächst vor allen über soziale Medien geführten Debatten und ihre Vereinnahmung durch rassistische Hetzer*innen fanden nach einigen Tagen auch auf der Straße ihren Widerhall. Am 02.01. führte die rechtsradikale Identitäre Bewegung eine Kundgebung durch. Kurz darauf mobilisierten „Kandel ist überall“ und ein ominöses „Frauenbündnis Kandel“ zu einer Demonstration unter dem Motto „Sicherheit für uns und unsere Kinder“. Es gelang ihnen über 1.000 Menschen zu mobilisieren. Unter ihnen befanden sich baden-württembergische AfD-Abgeordnete, Angehörige der Identitären und Kader der „Bürgerbewegung“ 1%, die umtriebiger Teil neurechter Metapolitik ist, die darauf abzielt, die politische Kultur des Landes zu beeinflussen und rechte Deutungshoheiten zu erringen. Es steht zu befürchten, dass Kandel ein neuer symbolischer Ort rechten Protests werden könnte.

Zwei Dinge erachten wir an dieser Demonstration für besonders alarmierend: Zum einen befanden sich untern den 1.000 Demonstrant*innen laut Augenzeugen viele Anwohner*innen. Es ist den Rechten also gelungen, auch Leute zu mobilisieren, die sich in der Vergangenheit vermutlich noch nicht an rechten Aufmärschen beteiligten. Zum andern stellten sich dem Aufmarsch nur ca. 150 Personen entgegen. Wir müssen also auch kritisch reflektieren, warum es uns nicht gelang, den rechten Erzählungen etwas entgegenzusetzen; in den Köpfen und auf der Straße.

Am 03.03.2018 soll es nun erneut einen Aufmarsch geben. Kandel und seine Folgen werden uns also keine Ruhe lassen.

Der Landesparteitag möge folgende Positionen beschließen:

- DIE LINKE Rheinland-Pfalz äußert ihr tiefes Bedauern über die schreckliche Tat von Kandel

- Wir wenden uns gegen die rechte Instrumentalisierung der Beziehungstat und gegen eine Ethnisierung von Kriminalität

- Wir rufen unsere Mitglieder auf, sich an den Protesten gegen einen erneuten Aufmarsch von neuen und alten Rechten in Kandel am 03.03. zu beteiligen

- Wir kämpfen gegen Sexismus und patriarchale Strukturen, die Frauen häufig zum Opfer von Beziehungstaten werden lässt

- Rechte können niemals Vertreter*innen von Frauenrechten sein. Ihr Weltbild gleicht viel mehr denen, die sie zu bekämpfen vorgeben. Frauen gelten für sie als das Andere und Schwache, das nicht über sich selbst bestimmen kann. Wir halten den unseren Kampf für die Befreiung der Frau entgegen!

 

 

*Hier wurde bewusst auf das Gendern verzichtet, da es sich bei den Tätern im Kontext von Beziehungstaten weitaus häufiger um Männer als um Frauen handelt und wir diesen Umstand sichtbar machen wollen