8) Demokratische und transparente Strukturen für Bürgerinnen und Bürger

Damit Rheinland-Pfalz demokratischer wird, müssen Quoren für Bürgerentscheide gesenkt, Ausschlusskataloge abgeschafft und auf allen Ebenen das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden: Es gibt keine Ausschlussgründe für demokratische Entscheidungen und ganz besonders die junge Generation soll mitentscheiden, wie ihr Land aussehen soll!

DIE LINKE unterstützt die Einführung von kommunalen Bürgerhaushalten in den Städten und Landkreisen, denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Mitspracherecht, wofür ihr Geld ausgegeben wird und wofür nicht. Direkte Demokratie und demokratische Mitbestimmung müssen insbesondere in die Gestaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge Einzug halten. Um die Demokratie zu vollenden, muss die Gleichstellung der Geschlechter und Lebensweisen genauso wie die Gleichberechtigung unterschiedlicher Weltanschauungen, Religionen und der ethnischen Herkunft gewährleistet sein. Gelebte Demokratie kann sich nur auf gleicher Augenhöhe im gegenseitigen Respekt aller menschlichen Unterschiede entfalten.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht der Aushöhlung durch Landesgesetze und Rechtsverordnungen preiszugeben. In unserem Selbstverständnis als demokratische Bürgerrechtspartei wenden wir uns gegen die fortschreitende Beschränkung von Grundrechten und unterstützen den weiteren Ausbau der Regelungen zur Informationsfreiheit: Die öffentliche Verwaltung muss transparenter werden, Entscheidungsgrundlagen sollen den Menschen kostenlos zugänglich gemacht werden.

Medien müssen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich allseitig zu informieren und zu äußern; sie müssen Aufklärungs-, Bildungs- und Kulturprozesse befördern. Zum Faktor demokratischer Meinungsbildung werden sie erst dann, wenn sie zur Kontrolle privater und staatlicher Macht und zur Beteiligung an politischen Entscheidungen befähigen. Wir fordern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestärkt wird und im Bereich der neuen Rundfunkübertragungswege auch Möglichkeiten einer umfassenden Bestands- und Entwicklungsgarantie erhält.

Die schier unüberwindlichen Hürden für direkte Demokratie in der rheinland-pfälzischen Verfassung müssen bürgerfreundlicher und praxistauglicher gestaltet werden. Um ein Volksbegehren auf den Weg zu bringen, müssen beispielsweise wesentlich mehr Unterschriften gesammelt werden, als eine politische Partei Stimmen für die Überwindung der 5-Prozent-Hürde benötigt. Und selbst wenn es unter diesen demokratiefeindlichen Umständen zu einem Volksentscheid käme, so wäre dieser an ein Mindestbeteiligungsquorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten gebunden.

Auch auf kommunaler Ebene muss eine Bürgerbeteiligungskultur entwickelt und ausgebaut werden. Wir begrüßen die Aufnahme des sogenannten Ratsbürgerentscheids in die Gemeinde- und Landkreisordnung, wonach Gemeinderäte die Durchführung eines Bürgerentscheids beschließen können.

In den Kommunen werden zahlreiche Entscheidungen getroffen, die unser Leben unmittelbar berühren. Die Städte, Gemeinden und Kreise übernehmen viele Aufgaben der Daseinsvorsorge. Wenn die Kommunen diese Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können, bekommen das die Menschen zu spüren. Aufgrund der Steuerpolitik von SPD und Grünen, CDU und FDP stehen heute fast alle Kommunen vor dem finanziellen Ruin. Sie können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen und verscherbeln mit der Privatisierung kommunalen Eigentums ihr Tafelsilber. Die Patentrezepte der neoliberalen Privatisierungsideologie haben sich für die meisten Kommunen als Flop herausgestellt. Cross-Border-Leasing-Modelle haben sich ebenso wie „Public-Private-Partnership“-Projekte als unsolide und sehr teuer erwiesen. Die öffentliche Daseinsvorsorge wird ausgedünnt: Schwimmbäder werden abgerissen, Bibliotheken, Theater, Museen schließen, andere öffentliche Einrichtungen, insbesondere die Betriebe zur öffentlichen Daseinsvorsorge, werden privatisiert. Kommunale Straßen gleichen Schlaglochpisten, Innenstädte verfallen, die Kanalisation und das Stromnetz sind marode und drohen in absehbarer Zeit zusammenzubrechen. Die öffentliche Verwaltung wird ausgedünnt, soziale Dienstleistungen werden zurückgefahren und Vereinen aus Kultur und Sport die Zuwendungen gestrichen. Gerade in den ländlich geprägten Regionen fehlt es zunehmend an grundlegenden Einrichtungen für die Aufrechterhaltung von öffentlichen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Bildung. DIE LINKE tritt für bezahlbare Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen ein.

Ein Frontalangriff auf die öffentliche Daseinsvorsorge wird durch die Handelsabkommen TTIP, CETA und TiSA geführt. Sie stellen einen massiven Eingriff in die kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar. Derzeit finden zwischen der EU, den USA und Kanada Geheimverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zum Freihandelsabkommen TTIP (EU–USA), zum Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (EU–Kanada) und zum Handel mit Dienstleistungen TiSA (EU-multilateral) statt. Obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände nicht in die Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist. Im Zentrum der TTIP-Verhandlungen steht das gegenseitige Absenken von „nichttarifären Standards“ im ökologischen und sozialen Bereich. Gegen solche sogenannten Handelshemmnisse sollen Konzerne aus Gründen des Investitionsschutzes ein Sonderklagerecht erhalten. Es ist daher zu befürchten, dass politische Gremien durch milliardenschwere Entschädigungsklagen erfolgreich eingeschüchtert werden, so dass flächendeckende Tarifverträge, ein gesetzlicher Mindestlohn, gesetzlich garantierte Sozialleistungen unter einem noch größeren Rechtfertigungsdruck stehen als heute. Damit verbunden ist eine weitere Privatisierungswelle im öffentlichen Sektor, von der beispielsweise auch die kommunalen Energieversorger betroffen sein könnten. Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl eine Stillstands- als auch eine sogenannte Ratchet-Klausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben werden darf. Die Ratchet-Klausel besagt, dass öffentlich-rechtliche Unternehmen wie etwa kommunale Stadtwerke, die einmal von einem privaten Investor gekauft wurden, niemals wieder rekommunalisiert werden dürfen. Mit diesen „Ewigkeitsrechten“ werden demokratische Entscheidungen in diesen Bereichen faktisch abgeschafft und die öffentliche Daseinsvorsorge privaten Profitinteressen untergeordnet. Für den öffentlichen Dienstleistungssektor wird ein "allgemeines wirtschaftliches Interesse" deklariert. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß der vorgesehenen "Marktzugangsverpflichtung" im Wettbewerbsverfahren – möglicherweise künftig weltweit – auszuschreiben. Diese Marktzugangsverpflichtung untersagt lokale Monopole und ausschließlich kommunale Dienstleistungserbringer. Somit würde einer Kommune zwar nicht vorgeschrieben, wie sie die öffentliche Daseinsvorsorge zu erbringen hat. Die Marktzugangsverpflichtung könnte jedoch dazu führen, dass neben den kommunalen auch private Unternehmen die Daseinsvorsorgeaufgaben wahrnehmen können müssen und Rechtsformeinschränkungen für die Erbringung nicht zulässig sind. Daher ist es wichtig sicherzustellen, dass die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge prinzipiell nicht von einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft erfasst sind.

Die Versuche der Landesregierung, eine tiefgreifende Kommunal- und Verwaltungsreform durchzuführen, sind vor Ende der Landtagslegislaturperiode nicht einmal bis zur „Halbwegmarkierung“ gediehen und müssen deshalb als gescheitert angesehen werden. Nur punktuelle Gebietsveränderungen lehnt DIE LINKE ebenso ab wie kreisübergreifende Fusionen von Verbandsgemeinden, weil gerade diese die sozialen Bezüge zwischen den Einwohnerinnen und Einwohnern häufig nicht berücksichtigen. Wir halten daran fest, dass kommunale Gebietsveränderungen stets im Rahmen eines Gesamtkonzeptes und unter intensiver Einbeziehung aller betroffenen Gebietskörperschaften und Bewohner zu diskutieren sind. Die Notwendigkeit veränderter Gebietszuschnitte bemisst DIE LINKE allein daran, ob die davon unmittelbar Betroffenen darin eine Stärkung ihrer bürgerschaftlichen Mitentscheidungsmöglichkeiten erkennen können. Deshalb will DIE LINKE unbedingt vor jeder Entscheidung mit den betroffenen Einwohnerinnen und Einwohnern vor Ort ins Gespräch kommen, um gemeinsam herauszufinden, ob und unter welchen Umständen die Gebiets- und Verwaltungsreform weitergeführt werden soll. Unser Mittel der Wahl für eine Kommunalreform heißt Bürgerentscheid!

Sicherheit für und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger

Statt Videoüberwachung öffentlicher Plätze, Schulen und in öffentlichen Verkehrsmitteln wollen wir mehr Personal bei Polizei und kommunalen Ordnungsdiensten, um gesellschaftlich notwendige öffentliche Ordnung und Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Denn der Stellenabbau der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die Polizei ihre Aufgaben oft nur noch bedingt erfüllen kann.

Für Sicherheit und Ordnung ist die Polizei zuständig, die Übertragung solcher Aufgaben auf private Sicherheitsdienste lehnen wir ab. Wir wollen mehr Fortbildung für Polizeibeamte und sprechen uns gegen Bürgerwehren und freiwillige Polizeidienste aus.

V-Leute wollen wir abschalten, Geheimdienste wie der Verfassungsschutz sollen nicht an Bildungseinrichtungen werben dürfen.

DIE LINKE Rheinland-Pfalz fordert:

  • die Landesregierung auf, sich klar gegen TTIP, CETA und TiSA zu positionieren. DIE LINKE setzt sich zusammen mit der außerparlamentarischen Bewegung für fairen Handel zum Wohl der Menschen unter demokratischen und transparenten Bedingungen ein.
  • Sicherung und Ausbau der kommunalen Daseinsvorsorge und will die hierfür notwendigen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen schaffen. Wir fordern ein Zukunftsinvestitionsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz für den Ausbau und die Sanierung der öffentlichen Wasserversorgung, der Strom- und Erdgasnetze, der Abwasserbeseitigungsanlagen und anderer Infrastruktureinrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge.
  • bereits privatisierte oder teilprivatisierte Unternehmen der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, der Müllabfuhr, der Abwasserbeseitigung, privatisierte Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser und Betriebe im Verkehrs- und Beförderungswesen wieder in öffentliches Eigentum zu überführen und damit unter demokratische Kontrolle zu stellen
  • “Public-Privat-Partnership”-(PPP)-Projekte nicht weiter zu verfolgen, weil sie teuer und ohne demokratische Gestaltung und Kontrolle verwirklicht werden
  • mehr Transparenz und Öffentlichkeit in allen Phasen der Entscheidungsvorbereitung sowie Teilhabe an Entscheidungen im Rahmen der repräsentativen Demokratie oder in Form direkter Demokratie
  • das Konzept der »gläsernen Rathäuser und Kreisverwaltungen« zu intensivieren, denn mehr Demokratie, Transparenz und Öffentlichkeit sind eine wesentliche Voraussetzung für die tatsächliche kommunale Selbstverwaltung
  • das kommunale Satzungsrecht zu stärken und eine verbindliche Beteiligung der Einwohnerschaft zu sichern
  • Bürgerhaushalte auf kommunaler Ebene und die frühzeitige Einbeziehung der Menschen insbesondere in kommunale Planungsvorhaben
  • die Mitwirkung der Bürgerschaft bei Haushaltsentwürfen gesetzlich zu regeln und die öffentliche Rechenschaftslegung über den laufenden Haushaltsvollzug sowie die Offenlegung aller Berichte der örtlichen und überörtlichen Kommunalprüfungen sicherzustellen
  • die Verringerung der Zahl notwendiger Unterschriften auf 10 000 für Volksinitiativen
  • die freie Sammlung von 100 000 Unterschriften in vier Monaten für Volksbegehren. Unterschriftsberechtigt soll jede und jeder sein, die/der das 16. Lebensjahr vollendet und seit mindestens sechs Monaten den ersten Wohnsitz in Rheinland-Pfalz hat.
  • die Absenkung der Unterschriftsquoren auf vier Prozent der Wahlberechtigten beim Bürgerbegehren und die ersatzlose Streichung der Mindestbeteiligungsquoren
  • die ersatzlose Streichung der Ausnahmetatbestände bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden
  • das kommunale Wahlrecht für alle Menschen ohne deutschen Pass, die mindestens sechs Monate ihren Erstwohnsitz in der Kommune haben
  • das generelle Verbot von Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, bei Versammlungen und Demonstrationen
  • das Verbot von Agents Provocateurs und Polizeikesseln
  • die Auflösung der Verfassungsschutzbehörde, stattdessen den Aufbau einer Landesstelle für Demokratie und Bürgerrechte
  • die Gewährleistung unabhängiger, umfassender, unmittelbarer und unparteiischer Untersuchungen, wenn Polizisten Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden
  • den Einsatz von sogenannten Reizgasen wie beispielsweise Pfefferspray auf individuelle Notwehrsituationen im Sinne des StGB zu begrenzen
  • ein Verbot des Tragens von Schusswaffen bei Demonstrationen und Großveranstaltungen.