"Mein Anspruch ist, dass wir konkrete, finanzierbare Vorschläge machen" – Jochen Bülow im Interview

Jochen Bülow

Die gestrige „Elefantenrunde“ des SWR hat erneut gezeigt, dass auch sehr wenig gewährte Redezeit ausreichen kann, um Inhalte statt Phrasen zu vermitteln: Der LINKE Spitzenkandidat Jochen Bülow ging am Ende für viele Zuschauer und Experten als klarer Punktsieger aus der Diskussion. In unserem abschließenden Interview kommt Jochen Bülow nochmals ausführlich zu Wort.

Jochen, mit annähernd 42 Milliarden Euro ist Rheinland-Pfalz verschuldet, seit Regierungsantritt von Rot-Grün 2011 ist der Schuldenberg um gut 30 Prozent gewachsen, im Jahr 2015 betrug die Kreditneuaufnahme 9,5 Milliarden. Sitzt Rheinland-Pfalz in der Schuldenfalle?

Jochen Bülow: Ja, das kann man so sagen. Ein Teil dieser Schulden ist auf eigene Fehler zurückzuführen, die Stichworte heißen Nürburgring, Flughafen Hahn oder Landesbank. Teilweise aber ist es auch so, dass die Bundesregierung viele Bundesländer nicht ausreichend finanziert, denn eigene Einnahmen hat das Land nur sehr bedingt. Und weil die SPD lieber Schulden macht als eine Bundesregierung mit SPD-Beteiligung über den Bundesrat unter Druck zu setzen, wird gekürzt und gestrichen, verfallen die Straßen und öffentlichen Gebäude – und es reicht trotzdem nicht.

Rot-Grün und 'Opposition' übertreffen sich wie vor jeder Wahl mit blumigen Versprechungen insbesondere bei den anstehenden Landesinvestitionen. Wie sieht eine solide Haushaltspolitik in unserem Land aus Sicht der LINKEN aus?

Jochen Bülow: DIE LINKE fordert seit langem, die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte zu stärken: Wir brauchen die Millionärssteuer, die Vermögens- und Erbschaftssteuer und eine Abgabe auf Finanztransaktionen. Denn, wie gesagt, das Land kann seine Einnahmen selbstständig kaum steigern. Anstatt wie bei den Regionalisierungsmitteln einen Kuhhandel zulasten Dritter abzuschließen, sollte die Landesregierung endlich über den Bundesrat Druck aufbauen und eine faire und auskömmliche Länderfinanzierung anstreben.

Die Hälfte der zehn am höchsten verschuldeten Kommunen Deutschlands liegt in Rheinland-Pfalz, aber die politisch Verantwortlichen vor Ort und im Finanzministerium scheint das nicht besonders zu interessieren. Ministerin Ahnen vertritt die Ansicht, dass der 'Kommunale Entschuldungsfonds' (KEF) ein gelungenes Projekt sei. Ist er angesichts der Schuldenrealität nicht vielmehr ein Flop?

Jochen Bülow: Mittlerweile behauptet ja nicht einmal mehr die Aufsichts- und Dienstleitungsdirektion (ADD), die im Auftrag des Landes die Finanzen der Kommunen kontrolliert, dass der KEF ein Erfolg wäre. Zumal es dabei ja nur um die Altschulden geht, nicht um die aktuellen Haushalte. Die sind nach wie vor flächendeckend nicht ausgeglichen. Damit jüngst eine Investitionshilfe der Bundesregierung von den Kommunen überhaupt genutzt werden konnte, musste die Landesregierung die ADD sogar anweisen, geltendes Recht zu ignorieren. Nein, die kommunalen Haushalte sind und bleiben unterfinanziert, die Landesregierung bricht, trotz eines eindeutigen Urteils des Verfassungsgerichtshofes, weiter vorsätzlich die Verfassung.

Kann die aktive Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die Gestaltung von Gemeindehaushalten den Trend umkehren?

Jochen Bülow: Nein, das glaube ich nicht. Gemeinde- und Stadträte haben schon heute in finanziellen Fragen kaum noch etwas zu entscheiden, weil fast alles, was im Haushalt steht, gesetzliche Aufgaben sind, die in jedem Fall erfüllt werden müssen. Wenn nun in Teilbereichen statt der Kommunalparlamente die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, ändert das ja nichts am Grundproblem. Zumindest bei den wenigen freiwilligen Aufgaben, die wir uns noch leisten können, sind Bürgerhaushalte aber trotzdem ein sinnvolles Mittel, um Menschen für kommunale Angelegenheiten zu interessieren, deswegen fordern wir sie ja schon lange.

Wie wird sich DIE LINKE in die Haushaltsdebatten des neuen Landtages einbringen, was haben wir zu erwarten? Populistische Kritik ohne Lösungsvorschläge à la Klöckner oder alternative Haushaltskonzepte?

Jochen Bülow: Mein Anspruch ist, dass wir konkrete, finanzierbare Vorschläge machen. Deswegen werden wir allen Großprojekten erst einmal sehr kritisch gegenüber stehen. Dort sind in der Vergangenheit dreistellige Millionenbeträge versenkt worden, die uns nun an anderer Stelle fehlen, beispielsweise für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zugunsten Langzeitarbeitsloser oder in der Bildung. Und dann werden wir im Haushalt nach all den Versorgungspositionen und Belohnungsjobs suchen, die SPD, CDU und Grüne in seltener Einigkeit immer wieder für verdiente Parteimitglieder erfinden. Denn wir wollen eine bürgernahe und handlungsfähige Verwaltung, nicht immer mehr Häuptlinge für immer weniger Indianer.

Jochen, wir danken für dieses Gespräch und wünschen Dir viel Erfolg als Spitzenkandidat der LINKEN bei der Landtagswahl.

Zur Person: Jochen Bülow, Jahrgang 1965, ist von Beruf Journalist und wohnt in Breibach (Landkreis Neuwied). Er ist Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Kreistag Neuwied, seine Themenschwerpunkte Arbeit und Soziales sowie Finanzen.