Die rheinland-pfälzische Kulturpolitik im Wolkenkuckucksheim
Unsere kritische Einschätzung zur Lage der rheinland-pfälzischen Kulturpolitik anlässlich des Interviews mit der rheinland-pfälzischen Ministerin für Frauen, Familie, Kultur und Integration Katharina Binz von den Grünen aus der Rheinpfalz vom 7. März 2025.
Das Interview mit der rheinland-pfälzischen Ministerin für Frauen, Familie, Kultur und Integration Katharina Binz von den Grünen aus der Rheinpfalz vom 7. März 2025 hat mal wieder offenbart, dass die Politik in Mainz scheinbar keine Ahnung hat, wie Kommunalpolitik in Rheinland-Pfalz arbeiten muss.
Katharina Binz führte ein paar nicht zu leugnende Fortschritte auf, die aber an der Gesamtsituation der permanenten Mangelwirtschaft im kulturellen Bereich wenig ändern. Weiter ging sie auf Maßnahmen der Landesregierung ein, die Haushaltslage der Kommunen zu verbessern, und führte das Argument ins Feld, dass es mehr Kommunen gelang, ausgeglichene Haushalte vorzuweisen. Unter welchen Anstrengungen, die oft zu Lasten der Daseinsvorsorge gingen, ließ sie außen vor. Genauso wie die von der ADD eingeforderten Mehrbelastungen der Einwohner*innen. Zu guter Letzt fegte sie die Forderung nach Aufnahme der Kultur in den pflichtigen Teil der Kommunalhaushalte mit Argumentationen hinweg, die klar widerlegbar sind.
Für Menschen mit kommunalpolitischer Erfahrung sind die Darstellungen der Ministerin mehr als befremdlich. Nach einem Gespräch mit Staatssekretär Hardeck, in dem sehr ähnlich argumentiert wurde, hielt sich meine Überraschung aber in Grenzen. Staatssekretär Hardeck hatte dem Vorstand des Kulturnetz Pfalz e.V. weismachen wollen, dass die geringen Mittel, die der Stadt für die Kultur bleiben, mit einer falschen Priorisierung einhergehen und man dies einfach ändern könnte. Die Argumentationsweise zur Ablehnung der Forderung, Kultur als Pflichtleistung in kommunalen Haushalten zu verankern, ist in Anbetracht der Realitäten bemerkenswert. Natürlich ist es nicht damit getan, die Kulturausgaben allein zu pflichtigen Leistungen umzudefinieren und als solche festzuschreiben. Das hieße nur, das vorhandene Elend festzuschreiben und noch bestehende kreative Spielräume einzuschränken. Dadurch lässt sich wohl auch die Ablehnung der kommunalen Spitzenverbände erklären. Aber die Aufrechterhaltung des Status Quo ist ebenfalls keine gangbare Lösung.
Aber erst einmal ein paar Worte zur Realität der kommunalen Haushaltsführung, wie wir sie aus Kaiserslautern kennen. Fakt ist, dass die Kommunen für Pflichtausgaben wie Notreparaturen an der Infrastruktur, die Umsetzung von Kitagesetzen, die Beschulung der Stadtbevölkerung und notwendige Sozialleistungen, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garantieren sollen, finanziell überlastet und personell unterbesetzt sind. Das ist so, weil das Konnexitätsprinzip „Wer bestellt, bezahlt“ weder von der Bundes-, noch von der Landespolitik mit den notwendigen Mitteln unterfüttert wird. Um diese Pflichtleistungen, die durch verordnete Unterfinanzierung nur in einem teilweise höchst bedenklichen Umfang gewährleistet werden, umsetzen zu können, gelingt es kaum, einen ausgeglichenen Haushalt, der noch Spielräume für Stadtgestaltung lässt, vorzulegen. Gelder für die „freiwilligen Leistungen“, zum Beispiel für Kultur, sind kaum in einem Ausmaß vorhanden, um mehr als die Aufrechterhaltung einer Mindestversorgung zu gewährleisten.
Und hier sind wir an dem Punkt, überlegen zu müssen, wie diese Ausgangslage verändert werden kann. Erstens, und diese Forderung steht schon lange genug im Raum, ist die Durchsetzung des o. g. Konnexitätsprinzips in allen Bereichen, die auf die Kosten der kommunalen Haushalte drücken, notwendiger denn je. Ein zweiter Schritt wäre es, Mindeststandards für die Festlegung eines Pflichtteils in den Kulturhaushalten festzulegen. Zum Beispiel für eine auskömmliche Finanzierung der Stadtbibliotheken, die es ermöglicht, dass ein würdiges Maß an Büchern zugekauft werden und ein Anschluss an die Onleihe als Standard festgelegt werden kann. Genau dies ist im Moment in Kaiserslautern nicht der Fall. Auch Standards zur Ausrüstung inkl. Reparaturen und infrastrukturell wichtiger Ausstattung sind notwendig, genauso wie die Schaffung einer Grundlage, dass die ganze Stadtgesellschaft ihr Recht auf kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen kann, ob sie nun Rentner*innen, Jugendliche, behindert oder armutsbetroffen sind. Dabei geht es um Rechte und nicht um „Nice-to-Haves“, die durch ehrenamtlich gestemmte Charity umgesetzt werden müssen. Auch eine auskömmliche strukturelle Förderung der nicht subventionierten Kulturszene gehört dazu, beispielsweise konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die Schaffung, Erhaltung und Gestaltung von soziokulturellen Begegnungsorten. Voraussetzung dazu wäre eine Evaluierung, die nicht nur den Ist-Zustand und die Notwendigkeiten zukünftiger Kulturarbeit erfasst, wie diese in verschiedenen kommunalen Kulturentwicklungsplänen durchdekliniert wurden, sondern konkrete Preisschilder, die ablesbar machen, welche Mittel zur Umsetzung einer den Ansprüchen gerecht werdenden kulturellen Ausstattung notwendig sind.
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt außerdem, dass es zuallererst die „freiwilligen Leistungen“ sind, die Opfer von Haushaltssperren bei Auseinandersetzungen zwischen dem Land, vertreten durch die ADD, und der Stadtpolitik werden. Auch deshalb braucht es oben genannte Standards im Kulturbereich als pflichtige Leistung, deren Umsetzung durch Gelder aus der Landespolitik zu gewährleisten sind. Es gibt keinen anderen Weg aus der Sackgasse stetiger Unterfinanzierung der Kultur in Rheinland-Pfalz, um von der Position des Klassenschlechtesten wegzukommen.
Kultur ist der Klebstoff, der eine immer weiter auseinanderstrebende und sich vereinzelnde Gesellschaft zusammenhält, Identifikation schafft und Entwicklung ermöglicht. Sie ist als Verfassungsgebot konstituierend für unsere Gesellschaft und die darauf aufgebaute Ordnung. Dazu genügt es nicht, dass sie existiert, sondern sie muss in einem Rahmen gestaltet werden können, der Teilhabe am kulturellen Leben als Menschenrecht ermöglicht. Kulturförderung ist damit eine Investition in die Lebensqualität wie in die Zukunftsfähigkeit von Städten und Gemeinden. Das muss sich die Landesregierung bewusst machen.
Von Carsten Ondreka