5 Fragen an ... Katrin Werner
Liebe Katrin, noch immer sind Geld, Arbeit und Zeit zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt. Frauen erhalten niedrigere Löhne, haben weniger Rente, tragen zugleich die Hauptlast in familiärer Versorgung, Erziehung, Hausarbeit – weitgehend unbezahlt und ohne Anerkennung. Was will DIE LINKE ändern?
Mit der Pandemie hat sich besonders deutlich gezeigt, dass die Sorgearbeit – Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen – immer noch überwiegend von Frauen übernommen wird. Frauen haben dadurch schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter. Um eine partnerschaftliche Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zu erreichen, sind deshalb verbindliche Maßnahmen und Anreize notwendig. Dazu zählt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, die Übernahme von Sorgearbeit durch Väter bzw. den zweiten Elternteil zu fördern und die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Dazu muss die Lohndiskriminierung von Frauen endlich beendet werden. Im Jahr 2020 haben Frauen 18 Prozent weniger verdient als Männer. Frauen sind überdurchschnittlich in schlechter bezahlten Branchen wie dem Gesundheits- und Pflegebereich oder im Einzelhandel tätig. Sie halten die Gesellschaft am Laufen und sind gerade in der Pandemie einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Diese Berufe müssen endlich die Anerkennung erhalten, die sie benötigen, und dazu sind höhere Löhne notwendig.
Außerdem muss es dringend eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine Ausweitung und qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung geben. Immer noch gibt es vielerorts einen Mangel an Kita-Plätzen und die Qualität der Betreuung ist in jedem Bundesland unterschiedlich. Hier muss endlich dringend mehr getan werden durch ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz und mehr Investitionen vom Bund.
Wir brauchen zudem Reformen hin zu einem familienfreundlicheren Arbeitsmarkt. Zu nennen wären hier unter anderem die Stärkung der Rechte von Arbeitnehmer:innen mit Kind im Falle der Erkrankung des Kindes sowie eine Ausweitung des Kündigungsschutzes für Eltern. DIE LINKE setzt sich außerdem für eine Reform des Elterngeldes ein, um Vätern mehr Anreize zu bieten, sich von Anfang an stärker bei der Übernahme von Sorge- und Erziehungsarbeit einzubringen.
Viele Familien können sich Betreuung und Pflege besonders von Senior:innen nicht mehr leisten. Krankenhäuser und Pflegeheime sind weit gehend privatisiert. Es gibt keine echten Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige, die noch im Beruf stehen. Welche Mittel und Wege schlägt DIE LINKE vor, um das zu ändern?
Ohne die mehr als vier Millionen pflegenden Angehörigen würde die pflegerische Versorgung in diesem Land zusammenbrechen. Dennoch stehen Familien mit Pflegebedarf nicht ausreichend im Fokus der Politik. Dabei werden rund 80 Prozent der zu pflegenden Menschen in Deutschland zuhause gepflegt, vor allem durch Angehörige, Freunde und Nachbarn. Angehörige wollen häufig in dieser besonderen Lebensphase unterstützen und begleiten, oft aus Liebe und Verbundenheit. Das heutige Pflegesystem nutzt diese wichtige gelebte Solidarität aus und verklärt sie zum stillen Heldentum. Konkret fehlen jedoch zugängliche Unterstützungsangebote, umfassende soziale Absicherung und Möglichkeiten mitzuentscheiden.
Deshalb wollen wir eine bezahlte Freistellung für berufstätige pflegende Angehörige von sechs Wochen einführen, die beim ersten Auftreten eines Pflegefalls in der Familie genutzt werden kann. Darüber hinaus brauchen wir für Menschen mit Pflegebedarf und für pflegende Angehörige wohnortnahe, nicht kommerzielle professionelle Tages- und Kurzzeitpflege, die unbürokratisch erreichbar sind. Diese Angebote müssen ausgebaut werden. Zur Finanzierung benötigen wir eine solidarische Pflegevollversicherung, in die alle entsprechend ihrer Einkommen einzahlen, auch Beamt:innen, Abgeordnete und Selbstständige. Die Beitragsbemessungsgrenze, die vor allem Millionär:innen schont, wollen wir abschaffen und private Pflegeversicherungen in die gesetzliche überführen.
Zur Gesundheitsversorgung: Noch immer haben wir mit privater und kassenärztlicher Versicherung das System der 2-Klassen-Gesellschaft in der Medizin. Selbst nach über 14 Jahren Krankenversicherungspflicht gibt es hunderttausende Menschen, die überhaupt keinen Versicherungsschutz haben. Gibt es aus Sicht der LINKEN eine Lösung dieses Problems?
Wir setzten uns für ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin und für eine neue solidarische Gesundheitsversicherung ein. Das Prinzip ist: Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben und alle werden gut versorgt. Medizinisch notwendige Leistungen werden vollumfänglich übernommen. Dazu zählen beispielweise Medikamente, Brillen, Zahnersatz oder Physiotherapie. Medizinisch unnötige Behandlungen privat Versicherter gehören der Vergangenheit an. Zur Finanzierung wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen und somit insbesondere Menschen mit sehr hohem Einkommen stärker an der Finanzierung beteiligen. Für alle Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen wollen wir die Beiträge senken. Außerdem wollen wir dafür sorgen, dass alle Menschen, die hier leben, auch uneingeschränkten Zugang zu gesundheitlichen Leistungen erhalten.
An der Ungleichbehandlung der Frauen kann man ablesen, wie es insgesamt um die Toleranz gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten aussieht. Herkunft und soziale Stellung, Geschlecht, Alter oder sexuelle Orientierung sind oft ausschlaggebend für Ausgrenzung und Diskriminierung. Was bedeutet „Unteilbar solidarisch“ auf den Wahlplakaten der LINKEN?
Wir stehen für eine Gesellschaft in der alle ohne Angst verschieden sein können und in der niemand in Armut leben muss. Deswegen setzten wir uns gegen jede rassistische Diskriminierung oder Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Identität, Alter, sozialer Stellung ein. Wir zeigen unmissverständlich Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit, gegen Hetze und Gewalt von rechts. Wir wollen eine Gesellschaft erreichen, in der alle gleichberechtigt miteinander leben und an demokratischen Entscheidungen beteiligt werden. Das ist eine Frage der Menschenrechte und diese sind unteilbar.
Das Thema soziale Sicherheit für alle ist das traditionelle Kernthema der Partei DIE LINKE. Für eine wachsende Zahl von Menschen wird es immer schwieriger, „über die Runden“ zu kommen. Die Auswirkungen von Corona sind noch nicht abzusehen. Welche Perspektiven kann DIE LINKE den Menschen für ein gutes, planbares und sicheres Leben eröffnen?
Viel zu viele Menschen in diesem Land kommen trotz Arbeit kaum über die Runden. Das wollen wir beenden, in dem wir den Mindestlohn auf 13 Euro pro Stunde anheben, sachgrundlose Befristungen verbieten und Leiharbeit und Werkverträge zurückdrängen.
Insbesondere in den Städten sind in den letzten Jahren die Mieten explodiert und das bereitet vielen Menschen Sorgen und schlaflose Nächte. Wir wollen Verdrängung stoppen und dazu einen bundesweiten Mietendeckel einführen, der nicht nur Mietensteigerungen stoppt, sondern auch zu hohe Mieten absenken kann. Denn Wohnungen sind ein Zuhause für Menschen und kein Renditeobjekt.
Außerdem wollen wir Existenzängsten begegnen, indem wir Hartz IV überwinden und für ein sanktionsfreies Mindesteinkommen in allen Lebenslagen sorgen. Niemand darf unter 1.200 Euro im Monat fallen. Das gilt auch für ältere Menschen, deshalb wollen wir die gesetzliche Rente stärken, das Rentenniveau anheben und das Renteneintrittsalter senken. Mit einer gesetzlichen Mindestrente von 1.200 Euro sorgen wir dafür, dass niemand im Alter in Armut leben muss, auf Mini-Jobs angewiesen ist oder Flaschen sammeln muss.
Die soziale Infrastruktur wollen wir stärken und dazu den ÖPNV ausbauen und überall kostenlos machen. Auch die Kinderbetreuung muss ausgebaut, verbessert und überall kostenlos werden.
Nicht zuletzt wollen wir endlich die Kinderarmut in diesem Land abschaffen. 2,8 Millionen Kinder müssen hierzulande in Armut aufwachsen. Alleinerziehende, Familien mit drei oder mehr Kindern und Familien mit Migrationshintergrund haben ein besonders hohes Armutsrisiko, das sich in den letzten Jahren kaum verändert hat. Wir wollen eine Kindergrundsicherung einführen, die alle Kinder wirksam vor Armut schützt.
Um das zu finanzieren, brauchen wir eine Umverteilung von oben nach unten. Mit einer Reform der Einkommenssteuer wollen wir hohe Einkommen über 6.500 Euro im Monat stärker belasten und alle darunter entlasten. Außerdem wollen wir die Vermögenssteuer wiedereinführen und eine einmalige Vermögensabgabe für Millionär:innen und Milliardär:innen erheben. Damit schaffen wir Mehreinnahmen, mit denen wir dringende Investitionen in Sozialstaat, soziale Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz finanzieren können.